back

Der Fall "Selendang Ayu"

 

Der Fall nach ESYS         Der Originalfall       Der Fallverlauf nach Stiftungskonzept    

  

Der Originalfall:

 

Unalaska-Aleuten (07.12.2004) Am 7. Dezember 2004 ist der Bulkfrachter "Selendang Ayu" mit einer Ladung Sojabohnen und Getreide auslaufend Tacoma/USA auf der Reise nach China. das Schiff gehört der IMC Transportworld, eine Tochterfirma der in Singapur ansässigen IMC Group. Sie fährt unter der Flagge von Malaysia. Das Schiff ist 225 Meter lang, 32,26 Meter breit, mißt 30.775 BRZ zu einer Verdängung von 74.893 tdw. Es hat 7 Luken und vier Deckskräne. Es wurde 1997 von der Werft Hudong Shipyard gebaut und kam 1998 in Fahrt. Die Treibstoffbunker fassen ca. 550 Tonnen, sie sind mit etwa 156 Tonnen Schweröl Bestand relativ leer.

Die "Selendang Ayu" steht 40 Seemeilen nordwestlich Dutch Harbour auf der Insel Unalaska. Um 3,30 Uhr am 7.Dezember fällt die Hauptmaschine mit Zylinderbruch aus. Wasser dringt in die Maschine ein, vermutlich aus dem Kühlsystem, die Maschine muss gestoppt werden. Eine Kolbenreparatur dauert üblicherweise 7-8 Stunden. Es kann auch ein Zylinder nach Abkoppeln von der Kurbelwelle still gelegt werden. Warum die Maschine nicht wieder angefahren werden kann bleibt später ungeklärt. Es herrscht schlechtes Wetter mit Sturm und Seegang von 10-12 Meter Höhe. Das Schiff setzt offensichtlich einen Notruf ab, der gehört wird. Das Schiff treibt in Richtung auf Bogoslof Island.

Am 8. Dezember um 4 Uhr früh trifft der Hafenschlepper  "James Dunlap" mit Schottel-Ruderpropellerantrieb unter Kapitän Ron Campbell beim treibenden Havaristen ein. Das Schiff ist 30 Meter lang, ein typischer Küstenschlepper, Flushdecker mit flachem niedrigen Schleppdeck und 4.000 PS Leistung. Die "James Dunlap" ist mit 3 Mann gegenüber der Standardcrew von 5 Mann unterbesetzt, sie hat kein Leinengewehr an Bord und kann nichts tun. Sie ist in Dutch Harbour auf der Insel Unalaska stationiert und auf Kontrollfahrt. Unalaska ist Naturschutzgebiet. Das Schleppdeck wird vollständig von den Seen überwaschen, das Ober- und Schleppdeck ist nicht mehr begehbar. Sie findet bereits den Schlepper "Sydney Foss" vor, ebenfalls in Dutch Harbour stationiert,  38 Meter lang, 3.000 Ps, 6 Mann Besatzung, 1977 gebaut und der erste Schlepper der Foss L&T, später bei der Pacific Towboat & Salvage registriert, der mit dem Schwesterschiff "Drew Foss" als erste seegehende Schlepper der Reederei die Fahrterlaubnis für den St. Lorenz Strom und die Großen Seen erhielt. Die "Sydney Foss" hat ein Leinengewehr an Bord. Sie ist als Bargeschlepper mit einer Barge nach Adak, Adak Island, eine Insel der äußeren Aleuten der Andreanof-Islands unterwegs. Sie war am 7. Dezember morgens um 10 Uhr aus Dutch Harbour ausgelaufen. Sie hat die Barge losgeworfen und treiben lassen und ist zum Havaristen geeilt. Als die "James Dunlap" eintrifft hat die "Sydney Foss" bereits angebunden und schleppt gegen die See. Es gelang ihr mit dem ersten Leinenschuss die Jagerleine auf den Havaristen zu geben und eine Schleppverbindung herzustellen, obwohl sich die "James Dunlap" nur auf etwa 180 Meter an den Havarist heranwagt, dichter wäre zu gefährlich. Auch die "Sydney Foss" lag ständig unter Wasser, das Schleppdeck war unbegehbar, die Crew arbeitete vom Aufbaudeck aus.  Das bedeutet, dass auf der Windentrommel frei geschleppt wurde, nachdem es gelang, den Drahtvorlauf samt Vorgeschirr auf das Aufbaudeck zu holen, die Schleppverbindung herzustellen und den Draht anschließend über den Windenfahrstand im Ruderhaus auszustecken, eine der mörderischsten Arbeiten, absolut lebensgefährlich, die man sich auf solch einem Schlepper vorstellen kann. Die kleineren US-Schlepper sind wesentlich gleichen Typs, Flushdecker mit niedrigem Schleppdeck, starkem Sprung mit hoher Back,  langem Deckshaus und aufgesetztem Ruderhaus, teilweise mit Steuerstand für die Bargenfahrt auf Stelzen über der Brücke.  Sie sind als Push-Schlepper gedacht, die im Hafen schieben oder an der Seite schleppen und zumeist nicht ziehen, nur Seeschlepper haben eine Schleppwinde mit langem Draht, sonst wird mit freien Trossen und Drähten auf der Beting oder einem am der Beting befestigten Patenthakengeschirr geschleppt. Die "Sydney Foss" kann den Havaristen nicht gegen den Wind aufdrehen und halten, er treibt weiter quer in der See liegend hinter ihr, der Schleppzug treibt mit 2 Knoten auf die Küste zu, Wind und Strom setzen mit 4 Knoten Drift ohne Schlepper für den Havaristen auf das Land. Mehrfach gerät die "Sydney Foss" in Gefahr, vom sie ziehenden Anhang umgerissen zu werden und zu kentern.

Um 7 Uhr morgens bricht die Schleppverbindung. Der Schlepper holt die Trosse ein und bereitet eine neue Schleppverbindung vor, als die "Selendang Ayu" erstmals auf die Steine stößt und sofort leck wird.

Man erkennt sehr schnell die sehr bedrohliche Lage der Besatzung der "Selendang Ayu". Am 8. Dezember um 11 Uhr vormittags treffen zwei Hubschrauber der US-Coast Guard ein, Typ "Jayhawk", (modifizierter Typ Sikorsky SH-60 Black Hawk, Nutzlast 14 Mann). Der erste nahm 9 Mann auf und setze sie einzeln auf dem inzwischen eingetroffenen Küstenwachkutter "Alex Haley" ab. Die "Alex Galey" ist das ehemalige Marinebergungsschiff "Edenton", 88 Meter lang. Dessen Schleppdeck ist nun mit einem Helipad überbaut. Der Kutter beteiligte sich nicht an den Schleppversuchen. Der zweite Hubschrauber birgt ebenfalls 9 Mann ab und fliegt sie zunächst an den Strand der Insel Unalaska nahe der Strandungsstelle. Er fliegt dann offenbar ab. Die erste "Jayhawk" nimmt diese nun auf und fliegt mit Ihnen nach (vermutlich) Dutch Harbour, um dort aufzutanken. Der Hubschrauber hoverte bei Windgeschwindigkeiten um 60 Knoten über dem stark arbeitenden Schiff in geringer Höhe und winschte die Leute von der Back auf. Es bleiben noch 7 Mann und der Kapitän an Bord. Die "Alex Galey" hat einen kleineren "Dolphin" Hubschrauber an Bord, eine Aerospatiale SA 365/366, die bei diesem Wetter nicht fliegen soll, da  es für den dafür zu leichten Hubschrauber zu gefährlich ist, zumal er zweimal fliegen müßte, da seine Kapazität nicht für 8 Personen ausreicht. Die "Jayhawk" übernimmt stattdessen nach dem Auftanken die zweite Abbergung der Restcrew. Sie erwartet eine leichtere Arbeit, da das Schiff nach der Strandung nun ruhiger liegt. Beim zweiten Anflug hovert sie in Höhen bis wenig über 10 Meter über dem Schiff. Da die Crew leicht bekleidet trotz Wintertemperatur und nur mit Rettungsweste angetan den Rettungskorb inaktiv unter Schock offenbar lediglich betrachtet und nicht weiss, was sie tun soll, geht der Rettungstaucher an Deck und bringt so die 7 Mann von der Back in den Hubschrauber. Währenddessen nehmen Wind und See wieder zu, die See drischt mit elf Meter Höhe über das in der Brandung Schiff, das vorn aufgrund der Leckagen zudem abgesackt ist, und der "Jayhawk" wird in der Luft hovernd von einem Wellenkamm getroffen. Die Kabine geht unter Wasser, die Turbinen fallen aus, der Hubschrauber stürzt ab. Es gelingt zwar allen, aus dem Wrack herauszukommen, die Piloten tragen Kälteschutzanzüge. Die "Alex Haley" startet daraufhin ihren "Dolphin" Hubschrauber, dem es gelingt, die Piloten der Jayhawk zu retten. Die 7 Mann der Crew der "Selendang Ayu" treiben jedoch bereits tot im nahe Null Grad kalten Wasser. Das zerstörte Wrack der "Jayhawk" wurde später am Strand angeschwemmt.

Inzwischen brach die "Selendang Ayu" auseinander, in der Mitte zwischen den Luken 4 und 5.  Die Teilstücke trieben auserinander und lagen später nebeneinander in geringem Abstand auf dem Strand. Bunkeröl trat aus. Die restlichen zwei Mann, der Kapitän und der Taucher wurden von dem "Dolphin" als letzte abgeborgen. Es war vorher noch gelungen, das Bunkeröl von Außenzellen in leere Innentanks umzupumpen und die Tankheizung abzustellen, um das Schweröl zu verfestigen zum Zweck, den Ölaustritt zu reduzieren.

Am 13. Dezember anlässlich einer überraschenden Wetterberuhigung gelang es der Küstenwache, den laufenden Ölaustritt mit einer Barriere einzudämmen.

 

Nachwort:

Kapitän Ron Campbell hatte schon vorher vergeblich bei der Küstenwache angeregt und angemahnt, generell für alle Schlepper ein Leinengewehr, eine Bergungsausrüstung samt Kettenjäger zum Aufpicken der Ankerkette zur Herstellung von Schleppverbindungen in Dutch Harbour zu stationieren. Kosten 50.000 Dollar. Das wurde vom Kommando der Küstenwache nicht abgelehnt, angeblich kannte man die Anforderung jedoch nicht. Zudem sieht das Reglement der Küstenwache diese Ausrüstung dort nicht vor. Man ließ den Kapitän wissen, dass die US-Regierung keine Ausrüstung auf Staatskosten kaufe, um sie dann in private Hände zu geben für ihre Jobs. Campbell machte geltend, mit der Ausrüstung hätte er über die Ankerkette des Havaristen eine zweite Schleppverbindung herstellen können, dann wäre das Abschleppen vermutlich gelungen. Wie die Schlepperkapitäne aus dem Funkverkehr erfuhren hatte die "Selendang Ayu"  für 26 Mann Besatzung nur 3 Kälteschutzanzüge an Bord, den Vorschriften genügend.

Die Anfahrt der Schlepper verzögert sich, weil die Schleppreedereien erst stundenlang mit der Reederei um Bergelohn  und -vertrag verhandeln müssen. Dass die "Alex Galey" nicht angefasst hat dürfte wie im Falle Pallas damit ebenso etwas zu tun haben wie mit der Entscheidung, eine bestehende Schleppverbindung nicht zu werfen, um den stärkeren Schlepper anzubinden und damit Zeit zu verlieren, sondern durchzuschleppen, bis die Trosse bricht. Als sie brach war ohnehin alles zu spät. Es bot sich offensichtlich auch nicht an, die "Alex Caley" als Kopfschlepper auf der "Sydney Foss" anzubinden, vermutlich wäre die Bruchlast der bestehenden Verbindung damit überschritten worden, sofern nicht weitere Gründe wie die der Verträge eine Rolle gespielt haben könnten, vielleicht hat die "Sydney Foss" das als zu gefährlich abgelehnt. Das muss uns hier nicht weiter interessieren.  Bei dem Wetter ist es immer kritisch, als zweiter Schlepper auf dem Havaristen direkt anzubinden in Notschleppverbindung, da man dabei auch Schaden anrichten kann, wenn insbesondere die bestehende Schleppverbindung gefährdet wird. Andererseits, die "Sydney Foss" trieb trotz der Schleppleistung weiter auf die Küste zu, es wäre also wohl geboten gewesen, einen zweiten Schlepper festzumachen, hier wäre die "Alex Haley" das richtige Schiff gewesen mit etwa 9.000 kW Maschinenleistung. Dass es als ehemaliges Marinebergungsschiff und Bergunsschlepper eine umfangreiche Schlepp- und Bergungsausrüstung noch an Bord hat kann wohl unterstellt werden, auch dass die Crew der Küstenwache Erfahrung im Schleppen und Umgang mit der Ausrüstung hat.

Erstaunen muss der Hubschrauberabsturz. Es ist schon sehr wagemutig, in geringer Höhe über einem in der Brandung liegenden Schiff zu hovern auf Wellenkammniveau. Schon die Gischt ist gefährlich, die höher einschlagen kann als der Wellenkamm. Man sollte meinen, der Hubschrauber hat eine Winde mit einem Draht von 60 Metern an Bord, mit dem er hoch genug anfliegen kann. Allerdings ist dann der Rettungskorb als Pendellast viel schwerer zu dirigieren vor allem dann, wenn zunächst niemand mit hinuntergeht und die Aktion von unten sichert. Wenn sich ein Rettungskorb an einem Mast, den Stagen oder den Decksmaschinen verhakt und verklemmt wird es für den Hubschrauber extrem gefährlich, vor allem dann, wenn unten niemand hilft. Daher hat der Pilot vermutlich die Wellenhöhe unterschätzt. Aber das ist nicht unser Thema. Die Stiftung würde mit sturmstabilem viel schwerem Gerät fliegen, das auch bei Sturm in größerer Höhe sicher hovern und wischen kann, und es würde in solchem Falle zuerst ein Rettungsmann mit hinuntergehen und von Deck aus die Rettung leiten. Man hätte die Crew in einem Flug geholt und aufgrund der Nachfrahe nach vorhandenem Kälteschutz vorab ebenfalls geeignetes Material zum Schutz der Leute mitgebracht. Das wäre Standard.

Der Kurs und Bunkerbestand läßt darauf schließen, dass ein Bunkerstop in Sibirien geplant war, vermutlich in Petropavlovsk, und ein Großkreiskurs auf dem kürzesten Weg.

 

 

Fallverlauf nach Stiftungskonzept:

 Vorgabe: Alle Schiffe sind im Notfall angewiesen, bereits bei Beginn einer schwierigen Lage eine PAN-Meldung an die Leitstellen der Stiftung zu geben und Beratung zu erbeten, diese ist kostenfrei.

 

Zum Einsatz kommende Mittel:

 

1 S.A.R. - Rettungsschiff der "Angel"-Klasse

 

2 Hubschrauber AgustaWestland EH 101 - S.A.R. PetArt FS (Foundation Special)

 

07.12.2004:

Die „Angel 26“ liegt in der Wintersaison in Seward / Alaska auf Station. Grund: die Tankerfahrt nach Valdez, Der Kreuzfahrt-Tourismus in der Region und die laufende Saisonfischerei. Um 3,30 Uhr fällt auf der "Selendang Ayu" die Maschine aus.  Um 3,55 Uhr geht die erste PAN-Meldung ein, nachdem man festgestellt hat, dass der Schaden mit Bordmitteln nicht repariert werden kann. Die "Angel 26" hört den Ruf und schaltet sich sofort ein. Die Chiefs der Schiffe sprechen miteinander. Schnell klärt sich im Gespräch, dass ein großer Schaden vorliegen muss, den man nicht einfach klären und die Maschine wieder starten kann. Es laufen die Hilfsdiesel zur Bordstromversorgung. Die prekäre Lage der "Selendang Ayu" ist sofort klar. Es ergeht Rettungsalarm zum Sofortauslaufen, um 4,12 Uhr läuft die "Angel 26" aus. Auf die Frage, ob man sich abbergen lassen will, ergeht die Antwort, zunächst wolle man an Bord bleiben. Die Hubschrauber bleiben also im Hangar. Sie sind wegen des Wetters dort eingerollt worden und in der Bear-Trap Anlage fest verankert, sie können jederzeit mit Hilfe der Anlage wieder auf das Flugdeck gezogen werden. Aufgrund der Schadensminimierungspflichten ist die Reederei verpflichtet, die Hilfe anzunehmen. Es gibt also keine langen Debatten um Verträge und Bergelöhne. Die Coast Guard wird über den Einsatz unterrichtet wie die Reederei und deren Versicherung. Auch der Kutter "Alex Galey", der auf Kontrollfahrt in See steht, macht sich auf den Weg. Er kann jedoch erst am 8.12. eintreffen.

Die Angel läuft nun mit Brassfahrt durch die Resurrection Bay in den Gulf of Alaska. Das Wetter  ist noch gut, man kann noch 50 Knoten laufen. Da es diesig geworden ist wird zusätzlich mit der FLIR-Anlage navigiert. Da sie Wind und See querein von Steuerbord hat kann sie trotz leicht zunehmendem Wind aus nördlichen Richtungen und etwas zunehmender See auf zunächst die Fahrt halten. Der Wetterbericht besagt eine Depression über den äußeren Aleuten mit Zugbahn Nordost, also Starkwind aus Nord bis Nordost für das Fahtgebiet mit hochlaufender See gegen eine Dünung aus Südwest im südlichen Bereich der Aleutenkette. Das bedeutet ausgeprägte grobe See auf der Anfahrt und reduzierte Fahrt auf 25-30 Knoten oder weniger. Man würde also schon bei Kodiak Island auf schwerere See treffen und es ginge dann erst richtig los auf der Strecke über die offene See. Bis Chirikof Island müßte man mit Kurs Südwest laufen und hätte Wind und See querein bis achterlich,  Dann ginge es auf Kurs Südwest zu West weiter zur Ansteuerung der Umiak-Passage. Die viel engere Akutan Passage erscheint bei dem Wetter zu riskant. Dann wäre also auf Kurs Nordwest zu drehen in die Umiak-Passage hinein mit Wind und See von Steuerbord vorn. Dabei noch unberücksichtigt die Winddrehungen durch die Zugbahn der Depression in den kommenden Stunden. Bei See querein kann man eigentlich in den Wellentälern laufend recht schnell fahren. Natürlich rollt das Schiff dann erheblich. Das wird durch die Konstruktion des Rumpfes und Schlingerdämpfungsanlage wesentlich gemildert, sodass die Leistungsfähigkeit der Besatzung nicht zu sehr reduziert wird. Allerdings steht eine dwars laufende Dünung  in die Windsee, und damit Kreuzsee, und damit ist es nichts mit Surfen. Mit Kaventsmännern muß verstärkt gerechnet werden. Die mittlere Marschfahrt reduziert sich damit auf Wellengeschwindigkeit, also auf maximal 25 Knoten. Das bedeutet eine Distanz von etwa 950 Seemeilen und eine Fahrtzeit von 35 bis 37 Stunden. Das bedeutet eine Ankunft am 8.12. gegen Abend zwischen 17 bis 19 Uhr. Nach dem Driftweg der "Selendang Ayu"  verbleiben jedoch etwa 16 Stunden bis zur Strandung bei einer Driftgeschwindigkeit von 4 Knoten. Das Schiff würde also am 7.12.  zwischen 20 und 21 Uhr stranden. Man käme einen Tag zu spät.  Die Alternative wäre, dicht unter Land zu gehen und die Inselkette auszufahren. Der Landschutz bietet Schutz gegen Wind und Schwell, man hätte mit um 2-3 Meter flacherer See und geringerer Wirkung der Dünung zu rechnen. Es wird geschätzt, dass man 40 Knoten als Minimum laufen kann. Außerdem wäre die Strecke mit etwa 800 Seemeilen kürzer, das wäre eine Fahrtzeit von 19 Stunden, bei 45 Knoten von 17 Stunden, und bei 50 Knoten von 16 Stunden. Das reicht immer noch nicht. Man wird also zeitweise schneller fahren müssen und fliegen müssen, um die Besatzung zu retten, das Schiff wird vermutlich kaum zu retten sein. Man prüft die Wetterlage noch einmal wie die zu erwartenden Wind- und Wellenrichtungen und Höhen, die Orts- und Hafenbehörden von Atka, Nikolski, Dutch Harbour, Pauloff Harbour und Squaw Harbour sowie die dort in See stehenden Schiffe werden angerufen und nach den lokalen Wetterdaten und Seegengshöhen befragt. Diese sind südlich der Inseln erträglich und werden von Backbord vorn (Dünung) und Steuerbord querab bis achterlich (Windsee) laufen, das Schiff fährt also in einem Keil hinein, der mit Glück Gassen bilden wird, in denen hohe Fahrt durchgehalten werden kann bei einer Dünung um 2 Meter und einer Windsee bis 5 Meter. Allerdings wird es auch knallen, wenn man eine Überlagerung erwischt. Außerdem fährt man im Schären- und Inselgebiet dicht unter Land, schlecht kartografiert. Das ist eine Risikoabwägung, die sehr gut überlegt sein will, da man auch die eigene Sicherheit im Auge haben muss. Es ist abzuwägen die Sicherheitslage der Menschen gegen den Verlust des Schiffs und einer Ölverpestung in einem Naturschutzgebiet und einer wichtigen Fischereizone. Unklar ist, ob sich die Depression in den nächsten Stunden abschwächen oder zunehmen wird, und ob sie damit verbunden Richtung und Geschwindigkeit variiiert. es steht 50:50, es zu schaffen und auch den Havaristen noch zu bekommen, oder nicht, zu sehr hohem eigenen Risiko. Das kann nur der Kapitän entscheiden.

Der Kapitän und die Wachleiter halten eine kurze Beratung ab, um sich für de bestmögliche Lösung zu entscheiden. Dann ist klar, man wird es zunächst einmal versuchen und sehen was daraus wird, mit dem Kurs dicht unter Land. Das bedeutet nun allerhöchste Anstrengung für die Brücke in den nächsten Stunden. Der C.o.S. Platz geht als Kontrollnavigationsplatz in Tätigkeit, es wird mit allem gefahren, was das Schiff zu bieten hat: FLIR, Sonar, Voraus- und Sidescan-Sonar, Video und dem integrierten Manöversystem aus Autopilot, ECDIS, Radar, Datenintro aller Stellen zur Kursrechnung, Seegangs-Dopplerradar, Long Range-Array-Radar. Ein Hubschrauber wird auf das Landedeck als Relaisstation gebracht und startklar gemacht sowie see- und fahrtfest gezurrt, zum Abflug nach Bedarf. Noch braucht man ihn nicht. Über AIS geht die Vorrangwarnung für Alarmfahrt an alle Schiffe auf dem Kurs. Das Schiff hat inzwischen die Resurrection Bay verlassen, die sie mit voller Höchstfahrt durchlaufen hat, läßt Cape Aialik hinter sich und deren äußere Inseln und dreht dicht unter Land auf Kurs West zum nächsten Wegepunkt Gore Point und Chugach Islands. Ab 6 Uhr morgens am 7. 12. quert die Angel die Kennedy Entrance, hält die Barren Islands an Steuerbord und dreht in die Stevenson Entrance ein, Cape Douglas an Steuerbord lassend. Noch immer wird fast Höchstfahrt gelaufen, obwohl das Schiff härter zu arbeiten beginnt gerade bei den Querungen der Entrancen. Kurz darauf muss die Fahrt auf 50 Knoten zurückgenommen werden. Man hat aber schon eine Zeit von 2 Stunden gegenüber der Erstberechnung mit 40 Knoten herausgefahren. Noch 550 Seemeilen liegen vor ihnen. Das wird auch nautisch die schwierige Strecke. Kann man jetzt 45 Knoten durchhalten als Mittel sind das 12,5 Stunden. Man wird also zwischen 19 und 20 Uhr eintreffen können. Wenn man 50 Knoten durchhalten könnte hätte man 1,5 Stunden gewonnen, man wäre also zwischen 17,30 und 18,30 Uhr vor Ort. Es ist ein Rennen gegen die Uhr. Das Schiff steckt harte Schläge weg und nimmt Gischt bis über das Ruderhaus, wenn es hart einsetzt. Aber dafür ist es gebaut. Dennoch kann immer etwas passieren, und sei es das eine 10-EURO-Dichtung irgendwo versagt. Die Maschine ist voll ausgelegt und voll besetzt, die Brückenwache ist um einen Navigator verstärkt, der Kapitän geht Dauerwache.

Inzwischen wird weiter mit der "Selendang Ayu" gesprochen. Sie wird angewiesen, ein schweres Schleppgeschirr auf der Back bereit zu machen. Es wird detailliert beschrieben, was zu tun ist und wie es aussehen soll, die "Selendang Ayu" hat die erforderlichen Ketten und Drähte zum Glück an Bord. Dazu ist die Notankerung vorzubereiten auf beiden Ankern. Der Kapitän analysiert bereits von Satellitenfotos aus dem Bordbestand  die zu vermutende Strandungsstelle auf Bogoslof Island. Mit den Wassertiefen der Seekarte dazu bestimmt der Kapitän die Stelle, an der und mit welchen Kettenlängen Anker geworfen werden soll. Da ein felsiger Grund zu erwarten ist bleibt die Frage offen, wie schnell und gut die Anker greifen und ob sie halten werden. Daher soll eine lange Kettenlänge gesteckt werden als zusätzliches Grundgewicht. Ergänzend dazu läßt er sich alle Navigationsdaten und den GPS-Standort der "Selendang Ayu" angeben, um nach den ebenfalls stündlich abgefragten Wetterdaten der Orte den Driftweg und die Driftgeschwindigkeit zu berechnen und den Strandungspunkt zur beständigen Aktualisierung. Dazu läßt der Kapitän die "Selendang Ayu" fortlaufend die Wassertiefen loten zum Kartenabgleich. Außerdem nimmt er eine Kreuzfunkpeilung vor mit den Stationen Atka, Anchorage und Saettle sowie dem eigenen Schiff, der Havarist gibt dafür für eine halbe Stunde Peilzeichen. Sie fällt ziemlich ungenau aus, da mit Ausnahme Seattle alle Stationen fast auf einer Höhe liegen, sich also ein sehr schmaler Peilwinkel ergibt. Das reicht nicht, den GPS-Standort zu überbieten und genauer zu überprüfen. Derzeit driftet der Havarist mit 3,4 Knoten, das bedeutet ein weiteres Zeitfenster von etwa 30 Minuten. Das reicht, um anzubinden, wenn die Schleppverbindung vorbereitet ist.  

Die Angel läuft nun durch die Shelikoff Strait dicht unter Land, nimmt Sutvik Island an Steuerbord und steuert  den Wegepunkt Mitrofania Island an, um von dort in die Passage durch die Shumagin Islands einzulaufen, hindurch zwischen Porof- und Unga Island an Steuerbord und Nagai Island an Backbord. Von Squaw Harbour auf Unga Island aus sieht man das Schiff gegen 13 Uhr Mittags in der dort kabbeligen See mit 50 Knoten Fahrt vorbeirauschen unter starker Gischt als Jahrhundertereignis. Es sind noch etwa 300 Seemeilen bis zum Ziel. Bei 40 Knoten Fahrt würde man um 20,30 Uhr eintreffen, bei 50 Knoten um 19 Uhr. Das ist weiterhin vedammt knapp, das Schiff arbeitet schwer und sehr hart bei dieser Fahrt, Wind und See nehmen stetig zu.

Die"Selendang Ayu" meldet, das Schleppgeschirr sei fertig und die Ankeranlage zur Notankerung bereit. Inzwischen meldet sich auch der Bargenschlepper "Sydney Foss" und bietet an, eine Schleppverbindung herstellen zu wollen, er stehe bereits nahe am Havaristen und bekomme ihn soeben in Sicht. Die Angel stimmt zu unter Bedenken, denn es ist auf der Angel klar, dass der Schlepper das Schiff nicht wird halten können, dazu ist er zu schwach. Aber er kann das Zeitfenster vergrößern und damit eine Ölpest vermeiden helfen, er erhält das O.k. Kurz nach 14 Uhr meldet die ""Sydney Foss": Schlepptrosse fest, wir schleppen mit voller Kraft. Drift reduziert auf 2 Knoten, stehen jetzt ca. 32 Seemeilen von Land ab". Auf der Brücke der Angel atmet man auf. Man hat nun ein Zeitfenster von 16 Stunden bis zur Strandung, also bis etwa 6 Uhr morgns am 8.12., wenn die Schleppverbindung hält. Sie kann unter den Umständen jederzeit brechen. Die Angel hat daher keine Sekunde zu verschenken.

Der Kapitän entschließt sich daher zu einem riskanten Manöver, er wird die Enge dicht unter Land bei Deer Island und Cape Pankof nehmen, um von dort unter Landdeckung von Umiak Island bei geringerem Seegang als weiter draußen weiterhin hohe Fahrt durchhalten zu können. Die Geschwindigkeit muss nach Passieren von Umiak Island deutlich  zurückgenommen werden. Die Einsteurtung in die Passage beginnt kurz nach 16 Uhr. Sofort hat man schwere See von vorn bis 10 Meter, die Fahrt wird auf 25 Knoten reduziert, es wird ein Höllenritt durch die Passage. Der Kapitän weiss, das er das wegstecken kann, der Schlepper wird jedoch vom quer hinter ihm treibenden Anhang über das Heck gezogen und steht dabei immer in Gefahr, umgerissen zu werden und auch noch zu sinken. Der Hubschrauber wurde inzwischen wieder in den Hangar gerollt, in der Passage sollte er trotz dreifacher Laschung besser nicht auf Deck stehen bleiben. Etwa um 17,30 Uhr hat die Angel es geschafft, sie geht wieder auf Kurs West und bekommt nun die See auf der nördlichen Seite der Aleutenkette von Steuerbord achterlicher als querein. Sie fährt also diagonal zur See und kann daher die Wellen aussurfend Fahrt auf gut 30 Knoten erhöhen. Auch das wird ein sehr harter Ritt. Dafür ist die Dünung hier kaum noch vorhanden, was das Wellenausreiten erleichtert. Sie hat nun noch etwa 80 Seemeilen vor sich.

Kurz nach 20 Uhr , es ist bereits dunkel, bekommt die Angel die Lichter des Schleppers und der "Selendang Ayu" in Sicht, 20 Minuten später fährt die Angel längsseits auf der Luvseite des Verbandes. Was sie sehen macht selbst den Männern auf der Angel Angst. Der Schlepper geht gewaltig zu Kehr, das Oberdeck ist fast ständig unter Wasser. Die hohe Back schaufelt gewaltige Kaskaden grüner See hoch, das flache Schleppdeck liegt beständig in einem wilden Gischtwirbel unter Wasser. Immer wieder steigt die Trosse aus der See und spannt sich zum Zerreißen. Solche Schläge reißen auch den Schlepper aus dem Kurs, der dann sehr bedrohlich krängt. Die "Selendang Ayu" treibt 800 Meter hinter ihm quer in der See und rollt stark, sie nimmt grüne See über Deck und Luken. Da man noch genug Seeraum hat, empfiehlt die Angel der "Sydney Foss", sofort die Schleppverbindung zu lösen. Sie stimmt erleichtert zu. Obwohl man scharf auf den Bergelohn ist, man hat einen Anteil gesichert, die Arbeit war nicht gänzlich umsonst, ist man doch froh, aus dieser lebensgefährlichen Lage herauszukommen. Die Schlepptrosse wird auf der "Selendang Ayu" geslippt, damit der Schlepper seinen Draht nicht verliert und er die Angel stört. Klugerweise hatte die Angel für eine Notanbindung einen zweiten Draht mit Schäkel für eine Ersatzleine legen lassen, an den weisungsgemäß angebunden wurde. Nun wird unter Entlastung des Druckes auf der Trosse der Sliphaken mit einigen Hammerschlägen aufgeschlagen und die Trosse kommt frei. Der Schlepper legt sich mit kleiner Fahrt mit dem Kopf auf die See und beginnt, die Trosse einzuhieven. Die Crew sieht gespannt zu, was die Angel nun macht. Das werden sie wohl kaum noch einmal erleben.

Die Angel läßt sich mit dem Wind von Luv her auf die "Selandang Ayu" zusacken und leuchtet die Lage zunächst mit den Scheinwerfern aus. Sie gab ja Stunden zuvor bereits detaillierte Anweisungen, wie auf der Back die Schleppverbindung aufzubauen ist. Die Vorbereitungen auf der schwer arbeitenden "Selendang Ayu" dauerten zwei Stunden, dann war alles fertig. Mit Ketten und schweren Drahtstropps ist eine Hahnepot gebaut worden, die an mehreren Pollern und um den Mastfuß des Mastes auf der Back und seinen Unterbau greift, die Panama-Klüse ist mit Holzpackungen und geschmierten Säcken und Matten ausgefüttert, Stopperstropps sind auf den schweren Draht gesetzt worden von den vorderen Pollern, um ein Schlagen und Schamfielen des Drahtes zu verringern. Der Draht wurde durch die Klüse genommen und wieder an Deck gemannt, ein schwerer Schäkel ist angebracht. An ihm wird der Perlonvorlauf des Schleppgeschirrs als Dämpfer und Recker angeschäkelt werden. Man hat sich gegen das Schleppen auf der Ankerkette entschieden, da man beide Anker behalten will. Der Hilfsdraht wurde am gleichen System eingeschäkelt und durch die Steuerbord-Leinenklüse gegeben mit einem Sliphaken-Schäkel vor der Klüse auf der Back, der durch die Klüse geholte Draht diente als Vorholer für den Schleppdraht. Man hat so seine Erfahrungen. Eine Patent-Notschleppvorrichtung war nicht an Bord.

Die Angel fährt nun den Anlauf zur Herstellung der Schleppverbindung. Mit der 3-D Positionierungsanlage ist es kein Problem, bis unter 50 Meter an den Havaristen heranzugehen und sich in der See trotzdem sicher auf Distanz zu halten. Die Waterjetsteuerungen arbeiten ununterbrochen, um das Schiff auf Position zu halten. Langsam läßt sich die Angel nun mit dem Heck und vor dem Wind an die "Selendang Ayu" heransacken, immer auf Fluchtoption und sicher steuernd haltend. Auf 50 Meter wird mit der Leinenkanone die Jagerleine von Achterdeck geschossen, der erste Schuss sitzt sofort. Sobald sie beigefangen und auf dem Hievkopf des Ankerspills sicher belegt ist geht die Angel wieder voraus, die Jagerleine aussteckend. Sie wird von Hand auf der "Selendang Ayu" geholt. Man macht das aus Vorsicht, damit die leichte Jagerleine durch die Kraft des Hievkopfes nicht bricht. Die Angel stoppt in 200 Meter Abstand und gibt nun die erste Vorleine, mit der eine stärkere Hievleine geholt wird, nun mit Windenkraft auf dem Havaristen. Nachdem die Hievleine fest ist geht die Angel wieder langsam an und vergrößert den Abstand, während der Drahtstander ausläuft, mit dem wiederum der Vorlauf des Schleppgeschirrs geholt wird. Als dieser über die Reling der "Selandang Ayu" steigt  wird er sofort beigefangen und gesichtert. Der Drahtstander wird abgenommen und der Draht der Hahnepot angeschäkelt. Als sie fest ist wird der Vorlauf losgeworfen, er platscht ins Wasser, die Schleppverbindung ist fest. Diese Arbeit dauert 30 Minuten. Nun fährt die Angel die schwere Trosse aus und geht dabei mit Minimalfahrt voraus, bis 1.500 Meter ausgefahren sind. Dann taut sie vorsichtig an, die Verbindung hält und ist fest. Es kann geschleppt werden. Bei den Manövern hat sich die Angel in Kurslinie vor den Bug der "Selendang Ayu" gesetzt und liegt wie sie quer zur See. Man hat noch Raum genug. Der Schleppzug gewinnt langsam an Geschwindigkeit. Als er rollt und die Schleppverbindung weiter hält dreht die Angel in einem weiten Bogen gegen die See auf mit Kurs Nordnordost weg von der Insel in freies Wasser. Der Havarist liegt gut im Ruder, benimmt sich gutmütig und neigt nur mäßig zum Gieren und Ausbrechen. Durch Balastpumpen wird der Trimm verbessert, sodass der Havarist noch besser auf dem Ruder liegt und stetig folgt. Derweil fährt man mit 5 Knoten Fahrt vierkant in den Wind, der Havarist läuft dabei stetig in Line achteraus. Es ist nun etwa 23 Uhr nachts am 7.12.2004. Wegen der Dunkelheit wird sowohl mit den Scheinwerfern geleuchtet als auch mit der FLIR-Anlage navigiert und kontrolliert, den Havaristen beständig von den Viedokameras beobachtend, der Wachhabende hat ihn vor sich auf dem Monitor. Er kann zwischen Video, Wärme- und Infrarotbild umschalten, wie er es braucht. Die lange Telebrennweite der Zoom-Optik mit digitalem Zielpunkt-Seegangsausgleich sichert ein stabiles Bild und holt den Havaristen formatfüllend heran, der Wachhabende kann sehen, wie sich das Schleppgeschirr vor dem Bug des Havaristen verhält. Bei Dämmerung, Nacht, Nebel und Dunst kann auf Restlichtverstärkung, Wärme- und Infrarotbild umgeschaltet werden. Zeitweise ruckt es stark, wenn der Havarist in die Seen knallt, aber die Trosse bleibt im Wasser. Die Sensoren in der Trosse und im Vorlauf zeigen die Belastungen der Verbindungen und der einzelnen Elemente an. Dazu kommen die Daten der Lasten auf der Friktion und den Windenbremsen samt Zug auf der Trommel. Die Trosse liegt gut tief und steigt nicht aus dem Wasser, die Federung und Dämpfung durch das Gewicht des Drahtes wie der im Wasser durchhängenden Bucht wirkt unbeschränkt. Es kann also bei abflauendem Wind und fallender See mit voller Kraft, mindestens 12 Knoten, geschleppt werden. Das heißt mit einem Kraftwerk. Kraftwerk 2 bleibt mit dem Abdampfkraftwerk 5 in Betrieb, die Kraftwerke 1, 3 und 4 werden oder sind bereits heruntergefahren und abgestellt. Es stehen noch immer ca. 35.000 kW Kraftwerksleistung zur Verfügung, vollkommen ausreichend für den Schleppjob. Da geschleppt wird laufen die Pumpjets mit zur Verlagerung des Antriebsschwerpunktes nach vorn, das Schiff hat unter der Trosse nun die Schlepp- und Steuereigenschaften eines Wassertreckers. Darum kann man achtern anbinden und schleppen, ohne den Steuerschwerpunkt und die Steuerlast einzubüßen, und man kann von der Trosse nicht umgerissen werden. Die bis 10 Meter hochlaufede See macht der Angel bei der geringen Fahrt kaum etwas aus, sie nimmt kein grünes Wasser an Deck und über die Back, sondern reitet die Seen gut aus, die unter ihr weglaufen. Der breite hohe Bug tut das Seine, das Schiff gut über die Seen zu heben. Nach einer halben Stunde hat der Schleppzug aufgedreht und läuft nun stetig in den Wind.

Die Männer auf der "Sydney Foss" können nur noch staunen, so etwas haben sie noch nicht in dieser so simpel scheinenden Form gesehen.

In der Zwischenzeit wird mit der Reederei darüber verhandelt, was weiter mit dem Schiff geschehen soll. Vor einer Entscheidung soll ein Technikerteam der Angel den Schaden begutachten und ein Statement abgeben. Der Chief und zwei Ingenieure werden mit dem MOB übergesetzt, sie kommen in Lee des etwas andrehenden Havaristen gut an Bord. Man verzichtet darauf zu fliegen, da der Flug bei dem Seegang auch immer ein Risiko darstellt trotz aller Technik und Routine. Der Schlepper fährt Stand by. Der Schaden erweist sich als sehr bedeutend und kann nicht mit Bordmitteln behoben werden. Salz ist offenbar in den Innenkreislauf des Motorkühlwassers eingedrungen. Das hat die unteren Zylinderdichtungslager abgefressen, was wiederum zu Unwucht und zum Zylinderbruch geführt hat. Weitere Folge: Wasser im Maschinenöl, also dem Schmierkreislauf mit Kolbenfresser im Zylinder. Vermutliche Ursache: Korrosion oder Elektrolyse im Wärmetauscher, ein klassischer Standardschaden, der zumeist auf unaufmerksame und mangelhafte Wartung zurückzuführen ist. Da Wasser und Salz im Wärmetauscher- und Schmierölkreislauf ist kann die Maschine auch nach Stilllegung des Zylinders "mit einem Topf weniger" nicht mehr angefahren werden, was sonst möglich gewesen wäre. Wegen des Wärmetauscherschadens und seiner Leckage kann auch das Öl und Wasser im Kreislauf nicht gewechselt werden, zumal eine gründliche Reinigung und Spülung erfolgen muss, um jeden Salzrest zu entfernen. Dafür ist nicht genügend destiliertes Wasser an Bord. Das könnte zwar wie ausreichend Schmieröl die Angel liefern. Das nutzt jedoch nichts, da durch die Lecklage im Wärmetauscher der Schaden dennoch fortbestehen würde. Der Wärmetauscher kann auch von der Angel nicht repariert werden, da aufgrund des Korrosionsschadens durch Salzfraß und Elektrolyse im System die gesamte Verrohrungen und die Kühlwasser- und Schmierölpumpen betroffen sind. Es genügt also nicht, das Gerät zu zerlegen und einzelne Löcher dichtzuschweißen oder einzelne Rohre auszutauschen.  Der Schaden muss in der Werft repariert werden.

Die Reederei muss nun entscheiden, wohin der Havarist geschleppt werden soll, zurück nach Amerika, vermutlich Vancouver oder den Verladehafen Tacoma, oder über den Pazifik nach China. Bis dahin verhält man weitgehend nun gut frei vom Land auf der Stelle und wartet die Entscheidungen ab. Solange das Wetter so durchhält kann auch nicht gedreht und mit dem Wind gefahren werden, dann wäre der Anhang kaum noch zu kontrollieren. Andererseits steht die Angel auch nicht über Tage und Wochen als Schlepper zur Verfügung. Die Reederei sucht daher nach einem starken Hochseeschlepper, ein solcher steht jedoch kurzfristig nicht in der Nähe zur Verfügung und muss erst aus China in Marsch gesetzt werden. Es wird die "De Yi" der Shanghai Salvage geordert, die von Guangzhou ausläuft und einen Weg von etwa 5.000 Seemeilen vor sich hat, also eine Fahrt von etwa 13 Tagen. Daher erklärt sich die Angel bereit, die "Selendang Ayu" nach Kure Island im nördlichen Pazifik zu schleppen, das sie in 6,5 Tagen erreichen kann, der Schlepper in gut 7 Tagen, und dort den Havaristen abzugeben. Nachdem sich das Wetter am 9.12. etwas bessert kann gedreht werden, der Kurs geht ab der Umiak-Passage stetig südwärts, der Schleppzug rollt zunächst mit 6, später bis 14 Knoten Marschfahrt ohne weitere Probleme. Die am 8.12. frühmorgens eingetroffene "Alex Galey" fährt zeitweise Stand by und begleitet den Verband durch die Passage und ein Stück südwärts. Die "Sydney Foss" ist längst wieder auf dem Weg nach Adak. Das Wetter ist durchwachsen, es gibt aber keinen schweren Sturm, der Schleppzug kommt gut voran. Am dritten Tag Mittags geht ein weiterer Notruf von einer Position südwestlich Kodiak Island ein, er wird von der Küstenwache angenommen. Ein Fischkutter ist im Sturm mit der Besatzung gesunken. Nur ein Mann konnte gerettet werden. Am gleichen Abend funkt ein Tanker auf dem Weg nach Valdez südöstlich  Kodiak Island um Hilfe, ebenfalls Maschinenbruch und schlechtes Wetter. Die "Alex Galey" und zwei Reedeschlepper aus Vancouver sind unterwegs, aber für diese Schlepper ist das Wetter ebenfalls bereits zu schwer. Die Angel hat derzeit leichtes Wetter und könnte bei Höchstfahrt mit verminderter Restfahrt in der Schlechtwetterzone in gut 2 Tagen vor Ort sein.

Es wird daher beschlossen, die "Selendang Ayu" vorzeitig loszuwerfen, ein Long-Range Hochseekutter der US Küstenwache ist in der Nähe und wird Stand by fahren, der Schlepper "De Yi" wird umgeleitet und in 4 Tagen eintreffen. Nachdem das zwischen allen Beteiligten geklärt ist und der Wetterbericht für die nächsten Tage gutes Wetter und ruhige See verspricht  kann es verantwortet werden, die "Selandang Ayu" solange treiben zu lassen. Vor dem Lösen der Schleppverbindung geht die Technikcrew noch einmal an Bord des Havaristen und prüft ihrerseits, ob irgerndwelche kritischen Ecken und Schäden bestehen, die ein weiteres Risiko darstellen. Das ist nicht der Fall. Die Angel löst die Schleppverbindung, hievt die Trosse ein und geht mit Höchstfahrt zum neuen Seenotfall. Die "Selendang Ayu" wird nach 4 Tagen von der "De YI" aufgenommen und sicher nach China gebracht. In dieser Zeit der vier Tage hat die Angel bereits den anderen Tanker gesichert und an die Schlepper übergeben, die ihn nach Vancouver zur Reparatur schleppen. Zwei Tage später liegt die Angel wieder in Seward auf Station.

  

 back