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Der Fall Pilgerfähre "Al Salam Bocaccio 98"

 

Der Originalfall

 

Pilgerfähre gesunken, über 900 Tote.

 Suez 03.02.2006  - Die ägyptische Fähre "Al Salam Bocaccio 98" ist kurz nach dem Verlassen das Hafens Dubah in Saudi Arabien mit Ziel Safaja in Ägypten gesunken. Sie kam aus Dschedda mit Zwischenhafen Dubah. 1.300 moslemische Pilger das Hadsch waren an Bord, darunter 1.200 Ägypter. Das Schiff war 1979 in Italien gebaut und maß 6.900 BRZ, Später wurden mehrere Passagierdecks aufgestockt, das Schiff maß nun 11.799 BRZ. Es konnte nun statt 500 bis 1.300 Passagiere befördern. Nach den Bildern des Schiffs konnte es als sehr topplastig und windanfällig gelten, obwohl es mit Satteltanks auch verbreitert worden war. Etliche alte Fähren sind so vergrößert worden. Das Wetter war schlecht. Vermutlich ist auf der Fähre schon kurz nach der Abfahrt ein Feuer ausgebrochen, wie Überlebende berichtet haben. Unklar ist die Ursache. Ausbruch auf dem Wagendeck, aus der Maschine und aus kleinen Gasöfen der Pilger wurden angegeben. Es habe keinen Alarm, keine Schwimmwestenausgabe und nur unzureichend Rettungsbootplätze gegeben. Die Fähre hatte um 20,30 Uhr am 3.2.2006 Dubah verlassen und sollte um 2,30 Uhr Safaga erreichen. Zuvor gab es einen Notruf, der von der ägyptischen Fähre "Sankt Kathryn" gehört wurde. Erst am Morgen des folgenden Tages begannen die Rettungsaktionen der Behörden, Hubschrauber sichteten treibende Rettungsboote und Leichen.

Die Behörden werfen den Eignern vor, erst mit vielstündiger Verspätung die Behörden unterrichtet zu haben. Erst um sieben Uhr morgens sei den Hafenbehörden in Safaga der Unfall mitgeteilt worden, 45 Minuten später habe die Reederei vermutet, dass das Schiff untergegangen sein könnte. Als gesichert kann gelten, dass die Fähre gekentert ist. Das Verhalten des Kapitäns, der gerettet wurde, wird von den Behörden untersucht. Nach Augenzeugenberichten soll er sich nach Brandausbruch geweigert haben, nach Dubah zurückzukehren, er soll sich als einer der Ersten in einem Rettungsboot in Sicherheit gebracht haben. Es ist derzeit unklar, wann das Feuer ausbrach. Da das Schiff eher nahe dem Zielhafen sank kann es möglich gewesen sain, dass der Kapitän meinte, es sei sicherer, zum Zielhafen durchzufahren als umzukehren. Das wird alles noch zu klären sein. Weiterhin wird ermittelt, warum die Fähre "Sankt Kathryn", die den Notruf zuerst  hörte, ohne Hilfeleistung offenbar weitergefahren ist. Der beschimpfte Kapitän rechtfertigte sich damit, selbst 1.800 Passagiere an Bod gehabt zu haben, deren Sicherheit sei vorgegangen. Insgesamt befanden sich 1.414 Mnschen an Bord der vermutlich gegen 2.00 Uhr gesunkenen Fähre. Es gibt nach offiziellen Angaben 422 Überlebende, die bis 2 Tage im Wasser trieben. mit 992 Toten muss gerechnet werden.  Das Schiff liegt auf 700 Meter Tiefe, die Unfallaufklärung gestaltet sich entsprechend schwierig. Inzwischen wurden weiteren Schiffen der Reederei die Fahrtlaubnisse wegen schlechten Zustandes entzogen. Die Pilgerroute ist für Schiffskatastrophen berüchtigt mit Hunderten von Opfern.

 

 

Fallverlauf nach Stiftungskonzept:

 Vorgabe: Alle Schiffe sind im Notfall angewiesen, bereits bei Beginn einer schwierigen Lage eine PAN-Meldung an die Leitstellen der Stiftung zu geben und Beratung zu erbeten, diese ist kostenfrei. Im Falle des Hadsch trifft die Stiftung besondere Maßnahmen zur Verkehrssicherung.

 

Zum Einsatz kommende Mittel:

  

S.A.R. - Rettungsschiffe der "Angel"-Klasse,

 

2 Hubschrauber AgustaWestland EH 101 - S.A.R. PetArt FS (Foundation Special)

 

Vorrede:

Aufgrund des Hadsch besteht für die Schiffe im Roten Meer Sonderalarm, da uns bekannt ist, welche Risiken die Pilgerschiffe darstellen können. Die Schiffe stehen also in Seepositon nahe den Hauptverbindungen auf und ab oder lassen sich treiben.

Das bedingt einige organisatorische Vorbereitungen. Die Station Herkalion wird besetzt. Sie ist ohnehin Winterstation für den Track zum Schwarzen Meer und die südliche Äegäis. Das Schiff von der Station Port Said verlegt in den Suez-Kanal und ankert auf Reedestation im Großen Bittersee, um den Kanal in beide Richtungen abzudecken. Das Schiff von der Station Suez verlegt durch den Khalij as Suways ins Rote Meer und geht südlich Sharm el Shayk /Ras Muhammad auf Seestation, um die Routen zwischen Jamsa, Safaja und Al Qusayr, südlichster Bereich Marsa Alam in Ägypten und Al Muwaylih, Dubah im Norden bis Jeddah(Dschedda), Al Quadimah, Rabigh, Yanbuh al Bahr und Kleinhäfen auf der saudischen Seite abzudecken. Da Aufgrund der politischen Verhältnisse in Eritrea, Djibuti, Somalia und Jemen dort keine Stationen besetzt werden wird ein Schiff von der Station Sokotra durch den Shat el Arab abgestellt. Das Schiff steht auf den Höhen zwischen Al Hudayda und etwa Bur Sudan auf und ab. Die Schiffe laufen in den kommenden 6 Wochen dort keinen Hafen an, sondern werden vom Flottenversorger von Suez oder Sokotra aus in See versorgt.

Da gerade im südlichen Bereich des Roten Meers eine erhebliche Piratengefahr besteht sind besondere Vorkehrungen getroffen, die Besatzungen sind verstärkt.

Zudem herrscht dort im südlichen Teil ein durchaus beachtlicher Verkehr kleiner Dhaus mit Fracht und Pilgern Daher ist wird dort des öfteren technische Nothilfe bei zusammengebrochen Dieselmotoren geleistet. Meist sind es verstopfte oder gebrochene Leitungen, lecke Dichtungen, ab und zu ein Kolbenfresser. Die Technikcrew hat sich teils vom Schrottplatz dafür gerüstet und meist in kurzer Zeit die Motoren wieder klar. Zur Sicherheit wird nicht geflogen, die Crew wird mit dem großen Tochterboot übergesetzt, dass die Havaristen längsseits nimmt mit einer Sicherheitswache. Die Angel läuft mit klaren Löschmonitoren dichtauf gestaffelt nebenher. Probleme gab es dabei nie, die Gastfreundschaft ist herzlich. Man weiss, mit einer Angel legt man sich nicht an. Sie könnte sonst schnell zum Shaitan werden.

 

02.02.2006

Die "Angel 42" läuft mit 8 Knoten Minimalfahrt gemütlich bei noch glatter See und wenig Wind unter Manöverantrieb. Die Hauptgasturbinen sind abgschaltet, es wird bunkersparend mit Hilfsaggregaten gefahren. Sie steht über den Fährlinienknotenpunkten etwa auf dem siebenundzwanzigsten Breitengard mit Kurs Nord-Süd auf und ab. Auf der Brücke wird aufmerksam der Verkehr beobachtet. Das Weitbereichs-Arrayradar ist in Betrieb, ein Hubschrauber als fliegende Relaisstation in der Luft. Um Konflikte zu vermeiden sind Vertreter der ägyptischen und saudischen Behörden an Bord und in die Beobachtung des Verkehrs aktiv eingebunden. Es wird genau jeder Schiffsstandort vermekt und der Kurs der insbesondere großen Pilgerfähren geplottet. Man weiss jederzeit, wo jedes Schiff in etwa steht. Der Radarhorizont von 150 Meilen Radius reicht von Sharm al Shaik im Norden bis etwa Ras Hunkurab im Süden, je nach Position des Hubschraubers. Nach schwierigsten Verhandlungen war es möglich, mit Erlaubnis der Anrainerstaaten diese mobile verkehrssichernde Radarüberwachung herstellen zu dürfen. So wird also auch die von Jeddah auflaufende Fähre "Al Salam Bocaccio 98" geortet und geplottet, das Schiff weiss, wie jedes Schiff, dass es von der Angel registriert ist, das wird nach einem festen Schema per Seefunk abgesprochen, die Schiffe melden ihrerseits zu bestimmten Zeiten ihre Position. AIS ist in Betrieb und einbebozgen. Bei unklaren Radarkontakten wird notfalls per Hubschrauber aufgeklärt und die Identität festgestellt. Die OPZ ist damit voll beschäftigt. Für den Fall des Falles, den niemand wünscht, ist Vorsorge getroffen. Die Notquartiere sind vorbereitet, die Vorräte an religionsgerechten Notversorgungsgütern sind aufgestockt, die Kühllasten sind randvoll. Ein zweiter Arzt und Rettungssanitäter sowie ergänzendes Kombüsenpersonal sind an Bord sowie zusätzliches Wachpersonal der Sicherheitswache, die als Sicherheitspersonal unbeschäftigt im allgemeinen Bordbetrieb mitarbeiten. Fast in jeder Saison waren auch größere  Hilfeleistungen nötig. Man hat Erfahrungswerte, was durchschnittlich benötigt wird. Zwischendrin laufen Rettungs- und technische Übungen ab. Ansosten herrscht "Routine".

 

Nachmittags frischt der Wind auf, das Wetter wird schlecht, der Seegang nimmt auf bis 4 Meter zu. Ein Hauptkraftwerk wird angefahren, zum bequemeren Fahren in der rauher gewordenen See. Die Fahrt wird nicht erhöht, das Schiff steht weiter auf und ab. In der Nacht wird heute nicht geflogen, da die Kurse bekannt sind und leicht geplottet werden können, zumal die ETAs und  Ausklarierungen mitgehört werden auf den Seefunk- und Hafenwellen. Die Funkwache geht Dauerwache und bemüht sich, alles für die Sicherheit wesentliche mitzuhören. Als die "Al Salam Bocaccio 98" aus Dubah um 20, 30 Uhr ausläuft wird das registiriert wie ihr Kurs nach Safaja. Alle großen Passagierfähren mit mehr als 500 Personen an Bord stehen unter besonderer Dauerbeobachtung und sind gemarkt. Die Angel steht etwa 90 Seemeilen von der Fähre ab. Die Hubschrauber stehen immer in Alarmbereitschaft, auch die Marine-Arc-Rettungssysteme sind verladebereit, je Hubschrauber 5 Inseln als Abwurf-Außenlast in Spezialcontainer, je Insel bis 120 Personen.

 

03.02.2006

Gegen Mitternacht hört man auf der Angel den Notruf der Fähre. Auch die Fähre "Sankt Kathryn" hört den Notruf und bestätigt ihn. Auf der Angel gibt es Vollarlarm, die Wache fährt sofort alle Gasturbinen an und verbindet zu Höchstfahrtbereitschaft. Zugleich starten beide Hubschrauber als Radaraufklärer wie als Notretter. Die Fähre steht etwa 60 Seemeilen vor Safaja und etwa 45 Seemeilen von der Position der Angel ab. Das sind knapp 20 Flugminuten. Sofort nach dem Alarmstart der Hubschrauber geht die Angel auf Höchstfahrt. Sie kann den Havaristen in etwa 50 Minuten erreichen. Nach wenigen Minuten ist die Fähre im Radar gesichtet und die Position überprüft.

Es wird versucht Funkkontakt herzustellen und weiteres zu erfahren, das scheitert jedoch. Offenbar ist die Brücke der Fähre außer Betrieb oder es herrscht Konfusion an Bord, das läßt Schlimmes ahnen. Man macht sich auf der Angel also für den schlimmsten Fall der Großevakuierung aus dem Wasser bereit. Es läuft damit eine spezielle Bergungsrolle an, die nach Plan abgearbeitet wird. Jeder weiss, was er zu tun hat.

Als die Hubschrauber eintreffen sehen sie bereits die Fähre mit schwerer Schlagseite liegen, Feuerschein ist im Mittelschiff zu sehen, Rauch kommt aus den Lüftern um den Schornstein. Rettungsboote werden gefiert oder sind bereits im Wasser. Menschen springen über Bord. Die Fähre legt sich rasch weiter über und liegt bald platt auf der Seite, Boote bleiben auf der Bordwand hängen und rutschen aus den Taljen, Menschen fallen heraus. Es scheint Panik zu herrschen. Das Licht geht auf der Fähre aus. Die Hubschrauber fliegen nahe und tief an, werfen die Inseln in der Nähe der Schwimmer ab und leuchten mit ihren Scheinwerfern. Es wird entschieden, die Taucher noch nicht ins Wasser gehen zu lassen, da das derzeit in der ungeordneten Panik wenig bringt und die Gefahr für die Taucher dadurch zu groß ist. Die Hubschrauber machen Videoaufnahmen und überspielen diese live auf die Angel. Die ägyptischen Vertreter alarmieren sofort die Küstenwache, die Angel wird zum C.o.S. ernannt und weist alle Schiffe in der Nähe zur Hilfeleistung an.

Derweil haben die Hubschrauber ein kaum besetztes Motor-Rettungsboot ausgemacht, da abzutreiben beginnt. es wird angeflogen, die Taucher gehen uns Wasser und in das Boot, dass sie nun als Kommandoboot benutzen. Sie fahren zu den treibenden Rettungsbooten und bringen etwas Ordnung in das Chaos, in dem sie hart durchgreifen und organisieren, dass die Rettungsboote nun ihre Geretteten in die großen Inseln abgeben und mit den Booten nunmehr die Schwimmer aufgelesen werden. Wenn die Boote ausreichend voll sind geben sie die Geretteten zunächst  an die Inseln ab. Dabei wird entdeckt, dass sich der Kapitän der Fähre in einem der Boote befindet und sehr frühzeitig mit dem ersten Rettungsboot von Bord ging. Nach kurzer Zeit haben sich Teile der Besatzung der Fähre gefangen und arbeiten konzentriert mit. Insbesondere die Steuerleute, soweit noch vorhanden, und Ingenieure bekommen einigermaßen Ordnung in den rollenden Betrieb, sodass die Hubschrauber ihre Taucher wieder aufnehmen und nun mit dem Rettungskorb ab der Winde nach verletzten und in Not befindlichen Schwimmern suchen und diese zu den Inseln fliegen. Die Nacht erschwert die Arbeit sehr, immer wieder leuchten die Hubschrauber Schwimmer und Rettungsinseln an, zu denen dann die Boote fahren, und leiten damit den Rettungsbetrieb von oben. Die Hubschrauber orten und sichern mit ihren FLIR-Anlagen aus der Luft und marken abtreibende oder erkennbar schwach werdende Schwimmer, die sofort von den Booten und später den Hubschraubern selbst geholt werden.  Die Lage ist sehr dramatisch, da die meisten ohne Rettungswesten sind und viele der Passagiere nicht schwimmen können, etliche gehen vor den Augen der Retter unter. Auch weiß niemand, wieviele noch aus dem Schiff herausgekommen sind. Schnelle Unterkühlung ist aufgrund des relativ warmen Wassers nicht gegeben, das Problem sind die vielen Nichtschwimmer.

Als die Angel eintrifft herrscht  "Zustand". Man weiss, was los ist und hat die volle Boots- und Tochterbootsbesetzung binnen Minuten im Wasser, die bereits besetzt ausgeschwungen  am Kran hängen. Sofort nach dem Aufstoppen laufen die Tochterboote aus den Hangars ab. Auch das Hovercraft läuft aus. Nach kurzer Zeit rollt die Fähre über, triebt noch kurze Zeit kieloben und sinkt dann sehr schnell. Mit den schnellen Mobs werden nun die gemarkten Einzelschwimmer aufgelesen, die Tocherboote sammeln die Inseln und bringen sie an die Rettungstüren, von wo sie ins Schiff geleitet werden zur Sammelstelle. Dort werden sie erstuntersucht, die Patienten für die Krankenstation bestimmt zur weitern Behandlung. Die übrigen erhalten zuerst Decken, warme Getränke und Suppen, dann werden sie nach der Erstversorgung der Verletzten  auf weitere Schockschäden und Komplikationen untersucht. Anschließend werden sie zu den Notunterkünften geleitet und können sich dort in den Kojen hinlegen oder in den Schlafsesseln Platz nehmen. Es gibt erschütternde Szenen der Freude wie der Trauer, wenn sich Angehörige wiederfinden, oder auch nicht.  Die Ärzte und Rettungssanitäter haben mehr als alle Hände voll zu tun, die ägyptische Küstenwache fliegt weiteres medizinisches Personal und Geistliche an Bord zur weiteren Betreuung der Geretteten, die den Routinen folgend nahtlos integriert werden, das wurde immer wieder geübt auch mit den Landstellen. Die Hubschrauber der Küstenwache werden nach Abladen des Personals sofort wieder gestartet, später betankt und fliegen die Rettungs- und Sucheinsätze mit, geleitet von der Bordflugleitung. Es kann nun weitgehend trotz Nacht auf Sicht geflogen werden, da die Angel mit allen Scheinwerfern leuchtet wie die Hubschrauber auch, alle Sonnenbrenner und Hochkerzen, also alle Schiffsbeleuchtungen sind in Betrieb. Die Hubschrauber der Angel fliegen und suchen in den Außenbreichen mit FLIR.

Gegen Morgen, als die ersten andern Schiffe eintreffen, sind kaum noch lebende Menschen im Wasser, eine Stunde später meldet die Angel den Seenotfall als beendet und erklärt den anschließenden Bergungsfall. Sie geht nun mit mittlerer Fahrt nach Safaja, wo sie nach zweieinhalb Stunden eintrifft.  Die übrigen Schiffe werden mit Dank entlassen. Über die so möglichen Gerettetenzahlen soll hier nicht fabuliert werden. Auch hier wären die Verluste sicher erheblich, aber vermutlich bei weitem nicht so hoch wie im Originalfall.

 

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