Auszug aus dem Protokoll „Sicherheits- und Notfallkonzept Deutsche Bucht“, Gauss, 1999.

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Der italienische Holzfrachter „Pallas“ ein General Cargo-Frachter, 7.997 BRT, 147 m. Länge, 6 Luken, Besatzung 17 Mann, 23 Jahre alt und in Finnland gebaut, in, in verhältnismäßig gutem Zustand, fährt mit einer Ladung Schnittholz in den Laderäumen und als Decksladung auf den Luken von Hundiksval in Schweden nach Marokko. Das Holz ist in kunststoffverpackten Paketen und vorgetrocknet in „Streichholzqualität“ geladen. Am Nachmittag des 25.10.1998 läuft das Schiff mit Südsüdwestkurs von Schweden kommend um Skagen in Richtung Englischer Kanal. Es läuft mittlerer Seegang um 4, später bis 8 Meter bei Weststurm bis Stärke 8, in Boen  bis 12. Um die frühe Nachmittagszeit steht die „Pallas“ ca. 60 Sm. nordwestlich Esbjerg/Dänemark. Es herrschen jahreszeitübliche Bedingungen.

 

Sonntag, 25.10.1998:

 15,30 Uhr MEZ: (14,30 Uhr UTC;)

Kapitän Maciej Stepien bemerkt Rauch aus den Luken. Die sofortige Inspektion  durch den 2. Offizier vermutet Dampf aus der Belüftungsanlage. Kapitän Stepien vermutet hingegen einen Schwelbrand aus einem Kurzschluss. Rauch tritt aus Entlüftern Vorderkante Deckshaus und der Luken 4a und 5. Der Rauchmelder auf der Brücke zeigt nichts an.

 

15,40 Uhr:

PAN-Meldung der „Pallas“ an LYNGBY RADIO „Feuer an Bord“. Die Funkstelle gibt die Dringlichkeitsmeldung weiter an die Rettungsleitstelle des Danish Airforce Rescue Control Center  in Karup. Damit wird auch die Zentrale RCC Aarhus unterrichtet. Stepien läßt den Strom auf dem Vorschiff abschalten und den Verschlußzustand der Luken herstellen Er gibt das Löschmittel CO2 auf die vermutlich brennenden Luke. (Anmerkung: Später wurde bekannt, dass die Brandklappen nicht völlig schlossen und deshalb mit Persenningen abgedeckt wurden, sowie ein Teil der Lukenentlüfter nicht zu schließen war, da sie mit der Decksladung überbaut waren. Die Luken verloren also das CO2  und zogen weiter Sauerstoff, die Gasgabe erfolgte zu kurz und mit Unterbrechungen, das reichte nicht, die Laderäume mit Gas vollzufluten, so das Seeamt). Der Wind weht rechtsdrehend aus West zu Nord, Stärke 9, in Boen bis 12, Seegang 4-5 Meter.

 

15,50 Uhr:

Die Seenotzentrale gibt die Readines-Meldung an die „Pallas“.

 

15,55 Uhr:

Die Rettungsleitstelle beordert das Fischereischutz- und Rettungsschiff „Nordsoen“ (475 BRT, 53, m Länge, 14 Kn., 2.200 PS) aus Esbjerg zur „Pallas“ und gibt eine allgemeine Warnmeldung an die Schiffahrt heraus. Die Möglichkeiten der „Nordsoen“, Hilfe zu leisten, sind sehr eingeschränkt. Weder die Feuerlöschanlage, noch die Schleppleistung reichen aus.

 

16,16 Uhr:

Die „Pallas“ meldet „Feuer weitgehend unter Kontrolle“, sie steht jetzt 55 Sm westlich Esbjerg

 

16,30 Uhr:

Die „Nordsoen“ meldet „under way out of Graadyb“ (Fahrwasser nach Esbjerg).

 

16,32 Uhr:

Die Meldung an und von Lyngy Radio wird vom Seenotkreuzer „Wilhelm Kaisen“ auf der Station Helgoland mitgehört, der die Seenotleitstelle MRCC Bremen informiert. Diese meldet den Fall an dem Zentralen Meldekopf ZMK in Cuxhaven weiter, der Rettungskoordinationsbehörde. Die Meldung wird als Dringlichkeitsmeldung eingestuft noch ohne unmittelbare Gefahr, daher wird nur der Zentrale Meldekopf (die Bundesrettungsleit- und Koordinierungsstelle) ZMK unterrichtet und zunächst sonst nichts weiter veranlasst.

 

16,36 Uhr:

MRCC Bremen meldet an ZMK „Pallas Feuer unter Kontrolle, Unterstützung durch Küstenwachzentrum KüWaZ  nicht mehr erforderlich“. Der ZKM legt den Fall ab und nimmt bis zum kommenden Morgen keine weitere Notiz, eigene Nachfragen z.B. bei der Pallas oder dem RCC  Aarhus/Karup und MRCC Bremen unterbleiben.

 

17,26 Uhr:

Die „Pallas“ spricht mit dem RCC Karup über die Lage an Bord. „Die Luken sind mit Decksladung belegt und können nicht geöffnet werden. Die Feuerbekämpfung erfolgt in der Hauptsache mit CO2,  zusätzlich würde mit Seewasser vom Deckshaus her gelöscht. Eine Seekarte von Esbjerg sei nicht an Bord“. RCC gibt bekannt, dass ein Lotse wegen des Wetters nicht übergesetzt werden kann.  Die "Pallas"  befindet sich inzwischen auf Kurs Esbjerg als Nothafen. (Anmerkung: Offenbar ist Kapitän Stepien klar geworden, dass das Feuer mit Bordmitteln nicht mehr beherrschbar ist und er landgestützte Feuerwehrhilfe benötigt).

 

18,20 Uhr:

Die „Pallas“ meldet an RCC Karup „Kurs 80°, kein offenes Feuer, aber schwerer Rauch“.

 

18,29 Uhr:

Die „Pallas“ gibt einen dringenden Notruf ab, da der Rauch stark zunimmt. Kein offenes Feuer. Sie setzt die Reise in Richtung Esbjerg fort.

 

19,20 Uhr:

Die  Schleppreederei SVITZER in Aarhus meldet sich „kein Schiff in der Region mit Hilfekapazität“.

 

19,52 Uhr:

„Pallas“ gibt Positionsmeldung und ETA an Esbjerg und benennt den Reedereiagent. Sie gibt um 20.05 Uhr eine weitere Lagemeldung an RCC Karup.

 

20,18 Uhr:

Die Lotsenstation ESBJERG PILOT rät der „Pallas“ von Einlaufen ab.

 

20,25 Uhr:

Die „Pallas“ meldet Position 16 Sm. vor Graadyb, sie setze Kurs auf Esbjerg und die Feuerbekämpfung fort. 

 

20,45 Uhr:

Lyngby Radio gibt zweite PAN-Meldung heraus wegen der Pallas.

 

20,42 Uhr:

Svitzer fragt Offshore Operators nach um Hilfe.

 

21,00 Uhr:

Neue Positionsmeldung der „Pallas“.

 

21,49 Uhr:

SVITZER meldet, dass der Bohrinselversorger „Havila Champion“ (120 t Pfahlzug, keine Firefigterfunktion) in Esbjerg bei Bedarf zur Verfügung steht. Er kann wie der Hafenschlepper „Bugsier 19“ der Bugsier-Reederei Hamburg über RCC Karup angefordert werden.

 

22,54 Uhr:

Die „Pallas“ gibt Mayday-Ruf ab, die Decksladung brennt jetzt offen.

 

23,00 Uhr:

Die „Nordsoen“ ist bei der Pallas eingetroffen und meldet an RCC „Schiff in Flammen“. Wegen der Strahlungshitze des inzwischen hochlodernden Großfeuers legt sie sich 500 weit ab.  

 

23,02 Uhr:

DK Air Rescue Centre informiert SAR Skydstrup, SAR beordert je einen Helikopter aus Helgoland und Sydstrup an die „Pallas“.

 

23,22 Uhr:

Kapitän Stepien erbittet Unterstützung bei der Brandbekämpfung und Abbergung der Besatzung.

 

23,25 Uhr:

MRCC Bremen bietet aufgrund der Meldungen des  den Funkverkehr mithörenden Seenotkreuzers „Wilhelm Kaisen“ der „Pallas“ Hilfe an und beordert den Seenotkreuzer „Minden“ aus List auf Sylt zur „Pallas“.

 

23,33 Uhr:

Die „Nordsoen“ wird zum Commander on Scene C.o.S. ernannt

 

  

Montag, 26.10.1998:

 

00,07 Uhr:

Die „Pallas“ informiert die eigene Reederei Bugazzi Servizi Navali und bespricht mit ihr die weitere Brandbekämpfung.

 

00,19 Uhr:

Die Hubschrauber treffen ein. Sie können die Besatzung nicht von Bord aus abbergen, die Besatzung soll in die Rettungsinseln gehen.

 

00,20 Uhr:

RCC Karup fragt beim Flottenkommando Glücksburg um weitere Hubschrauberhilfe nach und informiert die DGzRS über den Beginn der Abbergungsaktion.

 

00,26 Uhr:

Die „Pallas“ gibt erneuten Lagebericht an die Reederei und weist auf die Reedereiverpflichtung zur Bergung und die verfügbare „Havila Champion“ hin, die Reederei teilt Tankfüllbestände mit. Das bereits begonnene Fluten der brennenden Laderäume wird untersagt. Die Luken 2 bis 5 brennen jetzt offen auch durch die Lukendeckel und mit der gesamten Decksladung. Die Flammen schlagen bis 30 Meter hoch und sind vom Hubschrauber aus 80 Meilen weit zu sehen.

 

00,28 Uhr:

Die DGzRS melden dem Zentralen Meldekopf Cuxhaven ZKM das Auslaufen des Seenotkreuzers Minden von List zur Abbergung der Besatzung der „Pallas“.

 

00,40 Uhr:

RCC Karup gibt einen Lagebericht an die Versicherung Chiappini der „Pallas“.

 

Ab 00,20 Uhr fortlaufend:

Die Besatzung der „Pallas“ versucht, die Rettungsinseln zu Wasser zu bringen. Da die Halteleinen an der inzwischen heißen Bordwand durchschmoren, werden die Inseln verloren, sie treiben ab. Ähnliches passiert mit der vom Hubschrauber abgeworfenen Rettungsinsel, sie treibt ab.

Kapitän Stepien versucht ein Verzweifelungmanöver. Da das Schiff mit halber Kraft fährt, legt  er es quer zur See und läßt sowit noch erreichbar die Laschungen der Decksladung loswerfen. Da das Schiff nun stark rollt, geht der größte Teil der brennenden Decksladung über Bord nicht zuletzt auch, weil die Laschketten inzwischen durchgeschmolzen sind. Der Kran zwischen Luke 3 und 4 ist in seinem Fundament durchgeschmolzen, umgestürzt und hängt mit seinem Ausleger Steuerbordseite im Wasser.

Anschließend wird versucht, das Steuerbord-Rettungsboot zu Wasser zu bringen. Die Besatzung steigt ein, Stepien bleibt mit dem Koch an Deck zurück und fiert das Boot ab. Niemand hat bemerkt, dass der Chefingenieur Valentin Petkov noch in der Maschine Dienst tut und das Schiff weiter fährt und unter Stromversorgung hält. (Anmerkung: Niemand hat bei den vorherigen Kontrollen der Rettungsmittel bemerkt, dass der vordere  Sliphaken des Bootes mit einem Bändsel zugebunden ist, in der Eile wird das später nicht bemerkt. Der Sliphaken läßt sich nicht öffnen, der vordere Bootsläufer kann nicht ausgeklinkt werden)  Da sich der Sliphaken nicht öffnen läßt, kommt das Boot nicht frei, schlägt gegen die Bordwand und zerbricht, die Besatzung fällt ins Wasser. Der Koch Emiliano Castro kommt unbemerkt von den anderen ums Leben, als er vom Deck ins Wasser springt. Er hat den achteren Bootsläufer gefiert. Ein Mann im Boot wird schwer verletzt. Als der Kapitän die Jacobsleiter abentert, wird er von einem Brecher weggewaschen. Da die Männer Rettungsanzüge angelegt haben sind deren Leuchtmarkierungen gut im Wasser zu sehen. Das Schiff ist weiter manövrierfähig und macht halbe Fahrt voraus.

 Die Hubschrauber fliegen nun wechselseitig an, die "Nordsoen" läuft ebenfalls an und beginnt mit der Bergung der Schwimmer.

 

01,15 Uhr:

Die Retter melden 16 Mann, darunter einen Verletzten, und einen Toten geborgen. Die Helis fliegen ab, Im deutschen Heli ist der Schwerverletzte, der dringendst behandelt werden muss wegen Wasser in der Lunge. Daher fliegt er frühzeitig ab und überläßt den Dänen die weitere Aktion. Der dänische Hubschrauber bekommt einen Turbinenschaden, muß abbrechen und fällt für weitere Aktionen aus, nachdem er noch den Stützpunkt erreicht hat. Die „Nordsoen“ holt die letzten Schwimmer aus dem Wasser.

 

02,16 Uhr:

Von den Seenotschiffen wird ein weiterer Mann auf dem Achterdeck gesichtet, Chief Petkov. Da keine andere Verständigung möglich ist, wird ihm mit Lampensignalen bedeutet, ins Wasser zu springen und zugleich der Heli von Helgoland angefordert, der sofort wieder startet.  Petkov zögert sehr lange und läuft unschlüssig auf dem Deck hin und her, ehe er über das Heck ins Wasser springt und zu einer Rettungsinsel schwimmt, aus der er dann vom Heli aufgewinscht wird.

 

03,38 Uhr:

Chief Petkov ist geborgen. Die Personenbergung ist damit abgeschlossen.

 

03,47 Uhr

Der Seenotkreuzer „Minden“ läuft zur Station List zurück.

Die „Pallas“ treibt brennend und ohne Besatzung in der See. Gerettet sind 16 Mann, darunter ein Verletzter; 1 Toter ist geborgen,  regististriert die Polizei Esbjeg nun offiziell.

Zwischenzeitlich nach dem Mayday-Ruf wurde der nur 4 Meilen abstehende hamburgische Chemikalientanker „Tom Lis“ von Aarhus Radio zunächst  zur Bergung herangezogen, man ließ das jedoch wieder fallen, da es zu gefährlich erschien, einen Cemikalientanker in die Nähe eines brennenden Schiffs zu bringen. Der Tanker hatte gerade zuvor bei dem norwegischen Frachter „Stenfjell“ Stand by gemacht, der mit elektrischem Blackout vor Horns Reef (nördlich Esbjerg) in der See trieb, bis er repariert hatte und weiterfahren konnte.

 

Die „Pallas“ fährt nun brennend mit etwa 1,5 Knoten und Ruderlage 15° Backbord Kreise und treibt in die deutsche Wirtschaftszone. In dieser Zeit geschieht nichts weiter. Maschinenraum und Aufbauten sind noch intakt. Die Maschine bleibt später stehen.

 

 

Parallel dazu: der Einsatz des Bergungsschleppers „Oceanic“

 

Sonnabend, 24.10.1998:

 

22,52 Uhr MEZ:

Der Hochseeschlepper „Oceanic“ der Bugsier-Reederei Hamburg (187 t. Pfahlzug) auf Station Helgoland erhält vom ZKM Order, zum Havaristen „RUBY XL“ zu laufen, einem Bulker von 227 m Länge, beladen mit 48.000 t Bauxit, der mit Maschinenschaden in der westlichen Nordsee etwa 30 Seemeilen im Bereich Holland vor der Demarkationslinine Holland-Deutschland treibt. Er geht Ankerauf und läuft aus. Das Wetter: Wind Südwest zu West rechtsdrehend 9, mittlerer Seegang 5 Meter.

  

Sonntag, 25.10.1998

 

02,16 Uhr:

Erster UKW-Kontakt mit der „Ruby XL“, die eine Notreparatur versucht und auf den von der Reederei bestellten Bohrinselversorger „Alex Gordon“ wartet. Die „Oceanic“ wählt einen divergierenden Kurs, um besser gegen die See hohe Fahrt laufen zu können, und dreht erst später zum Havaristen auf.

 

03,54 Uhr:

Die „Oceanic“ trifft bei der „Ruby XL“ ein.

zwischenzeitlich trifft auch der holländische Bergungsschlepper „Waker“  (120 t. Pfahlzug) ein, läuft zunächst wieder ab und kommt später  zurück.

 

06,44 Uhr:

Rücksprache der „Oceanic“ wegen Schlepperlaubnis mit dem ZMK. Erlaubnis wird erteilt. Die „Ruby XK“ treibt auf deutsches Gebiet.

 

08,28 Uhr:

Die „Ruby XL“ fordert die „Oceanic“ zum Schleppen an.

 

09,11 Uhr:

Die „Oceanic“ läuft an, Erste Schießleinenverbindung hergestellt.

 

09,13 Uhr:

Die Jagerleine geht auf „Ruby XL“

 

09,26 Uhr:

Die „Oceanic“ berührt bei der Leinenübergabe mehrmals die " Ruby XL", es gibt nur "Blechschäden".

 

09,29 Uhr:

„Oceanic“ von der Ruby XL wieder frei.

 

09,30 Uhr:

Oceanic: Schleppdraht-Vorlauf wird ausgesteckt.

 

09,38 Uhr.

„Oceanic“: Schleppdraht wird ausgesteckt.

 

09,43 Uhr.

Vorlauf an Deck der „Ruby XL“.

 

10.04 Uhr:

Vorlauf belegt und fest, „Oceanic“ fiert weiter den Schleppdraht.

 

10,30 Uhr:

Schleppdraht auf Länge ausgefiert. Wind 9, Seegang 4,5 Meter. Beginn der Schleppfahrt. „Alex Gordon“ und „Waker“ fahren Stand by.

 

12,55 Uhr:

„Alex Gordon“ gibt ETA für Jade-Tiefwasserreede 2300.  Durch den umlaufenden Wind und den Tidestrom entsteht im Jadefahrwasser durcheinanderlaufende schwere Kreuzsee. "Alex Gordon" und "Waker" fahren Stand by. Da bei Nacht und dem Wetter das Einlaufen vom ZMK für zu gefährlich erachtet wird, da die „Ruby XL“ stark giert und zeitweise von der „Oceanic“ nicht mehr gesehen werden kann, verhält der Schleppzug in der Nacht auf See bis Tageslicht.

 

 

Montag, 26.10.1998

 

06,10 Uhr:

„Oceanic“ erhält Order durch den ZMK, nach Bützfleth/Elbe zu schleppen.

 

08,45 Uhr:

Der Bergungsschlepper „Waker“ verläßt den Schleppverband und geht nach Holland zurück.

 

08,50 Uhr:

Die „Oceanic“ passiert Feuerschiff Elbe.

 

09,54 Uhr:

„Oceanic“ passiert Tonne 1. Zuvor haben die Assistenzschlepper "Bugsier 14" und "15" versucht, an der „Ruby XL“ anzubinden, ihre Trossen sind jedoch gebrochen. In Absprache mit den Losten schleppt die "Oceanic" mit erhöhter Geschwindigkeit und wieder verlängerter Trosse allein weiter.

 

15,42 Uhr:

Nachdem die Schlepper "Bugsier 14, 17, 3" und "Hermes" an der „Ruby XL“ fest sind bei Tonne 95, löst die „Oceanic“ die Schleppverbindung.

 

16,30 Uhr:

Die „Oceanic“ hat das Schleppgeschirr eingeholt und wartet auf das „Certificate of Delivery“.

 

17,18 Uhr:

Die „Oceanic“ erhält vom ZMK Order, nach Helgoland-Station auf Stand by zu gehen.

 

18,40 Uhr:

Die „Oceanic“ passiert auslaufend Helgoland die Kugelbake (Elbmündung).

 

22.00 Uhr:

Die „Oceanic“ geht vor Helgoland bei Tonne Düne vor Anker. 

 

 

Was inzwischen um die Pallas geschah:

 

Montag, 26.10.1998:

 

06,32 Uhr:

Die "Nordsoen" verläßt die „Pallas“, nachdem das sichtbare Feuer heruntergebrannt ist und erloschen erscheint (was nicht der Fall ist). MRCC Karup gibt einen Lagebericht an den ZMK. Dieser vermutet nun eine Strandung der „Pallas“ vor Sylt gegen Mittag.

 

06,37 Uhr:

Die Verkehrszentrale  Cuxhaven VKZ erteilt dem Behörden- und Mehrzweckschiff „Mellum“ Einsatzorder.

 

07,15 Uhr:

MRCC Dänemark gibt offiziellen Lagebericht an ZMK.

 

07,19 Uhr:

MRCC Bremen meldet an ZMK, „Pallas“ treibt in Richtung Sylt.

 

07,50 Uhr:

MRCC Bremnen meldet den Seenotfall „Pallas“ als abgeschlossen.

 

08,40 Uhr:

VKZ Cuxhaven erteilt dem Behörden-Mehrzweckschiff „Neuwerk“ Einsatzorder.

 

08,44 Uhr:

Der ZMK fragt bei MRCC Dänemark nach, ob von dort noch etwas unternommen wird. Die Antwort ist negativ.

 

09,07 Uhr:

Das Fischereischutzboot „Meerkatze“ läuft von Cuxhaven aus und geht zur "Pallas".

 

10,11Uhr:

ZMK fragt Schleppreedereien wegen Manngestellung als Einsatzreserve "Pallas" nach.

 

10,44 Uhr:

Helikopter (des BGS ?) meldet die "Pallas" mit laufender Maschine auf Kurs Ost, Schraube steht Steigung Null (Leerlauf) gemäß Polizei Esbjerg. Wettervorhersage: Wind West bis Nordwest abnehmend 6, noch schwere Böen, Seegang 3 Meter.

 

13,10 Uhr:

Fischereischutzboot „Meerkatze“ trifft bei der „Pallas“ ein. Sie qualmt wieder, das Feuer ist erneut ausgebrochen.

 

13,50 Uhr:

Die „Neuwerk“ und „Mellum“ treffen bei der „Pallas“ ein und beginnen mit der Brandbekämpfung (Kühlen von außen). Das Vorschiff ist teilweise rotglühend.

 

16.05 Uhr:

Die Reederei der „Pallas“ teilt dem ZMK mit, dass sie mit dem Bohrinselversorger „Alex Gordon“ einen Bergungsvertrag nach Lloyds open Form LoF abgeschlossen hat.

 

16,35 Uhr:

Ein SAR-Hubschrauber setzt 4 Mann von der Meerkatze auf dem Vorschiff der „Pallas“ ab, um eine Schleppverbindung herzustellen.

 

18,13 Uhr:

Die „Neuwerk“ versucht, an der „Pallas“ anzubinden. Der Versuch mißlingt. Die „Neuwerk“ giert heftig vor der „Pallas“ hin und her und wird nicht ausreichend auf der Stelle gehalten, obwohl sie mit einem Pumpjet und 2 Ruderpropellern 360 frei drehbar das manövrierfähigste Schiff ist. Sie hat jedoch zu wenig Tiefgang, die Propeller schlgen beim Durchlaufen der Seen aus dem Wasser und lassen das Schiff heftig gieren. Es gelingt zwar,  mittels einer Polyproph-Leine den Schleppdraht bis vor die Panamaklüse der "Pallas" zu hieven, Dann gschieht das Unglück. Der Holleinenrücklauf kommt lose, wird mehrfach über die Trosse geschlagen. Die Folge: der Vorläufer reißt den Königsroller auf der "Pallas" aus dem Deck, der ihm umlenkt, und beschädigt die Auslaufklüse, die Lose der Leine im Wasser dreht sich in die Schraube der „Neuwerk“. Damit sind 50 % der Antriebsleistung blockiert, die „Neuwerk“ kann nicht mehr schleppen. Die Schleppverbindung bricht.

 

18,57 Uhr:

Die „Mellum“ stelle eine Schleppverbindung mit zwei 80 mm Polyprophylenleinen her und schleppt an. Der schwere Schleppdraht kann nicht benutzt werden, weil die „Mellum“ keine Hievköpfe und Tuggerwinden hat, um sich den eigenen Draht selbst auf die tote „Pallas“ zu hieven, wie es Standard auf jedem Bergungsschlepper ist. Die „Pallas“ treibt im Bereich Lister Tief etwa 7 Sm. vor der Küste nördlich Westerland auf Sylt.

 

19,25

Das Feuer in den Luken der „Pallas“ nimmt weiter zu.

 

20,55 Uhr:

Alle Luken stehen in Flammen.

 

21.00 Uhr:

Alle Luken stehen in hellen Flammen, die 4 Männer der „Meerkatze“ müssen fluchtartig die Back räumen. Sie wurden auch gefährdet, weil die „Neuwerk“ mit den 20-Tonnen-Löschkanonen über die Back löscht. Die Neuwerk entschuldigt das später damit, dass das Schiff schwer in der See arbeitet, weshalb die Zielgenauigkeit leidet und der Sturm das Wasser teilweise verweht.  Die  Männer wünschen, mit dem Boot geholt zu werden, laufen nach achtern, was zu dieser Zeit noch möglich ist, und gehen von dort ins Wasser. Sie werden vom Schlauchboot der "Meerkatze" aufgenommen. Die "Mellum" schleppt weiter.

 

22.00 Uhr:

Bei der „Pallas“ kühlen die „Neuwerk“ und der inzwischen als Löschersatz für die „Neuwerk“ eingetroffene Seenotkreuzer „Wilhelm Kaisen“ von Helgoland. Die „Mellum“ schleppt weiter.

 

23,35 Uhr:

Die „Neuwerk“ verläßt den Havaristen und fährt nach Helgoland, um die Schraube zu klarieren.

 

 

Dienstag, 27.10.1998:

 

00.15 Uhr:

Die „Alex Gordon“ triff bei der „Pallas“ ein, kann jedoch wegen der schleppenden „Mellum“ nicht an der „Pallas“ festmachen.

 

00,30 Uhr:

Das Wetter hat sich wieder verschlechtert, der Seenotkreuzer „Wilhelm Kaisen“ muß die Kühlarbeiten abbrechen, da der Sturm den Wasserstrahl der Löschmonitore verweht und er nicht mehr Position halten kann, er ist zu leicht und dafür nicht ausreichend manövrierfähig. Das offene Feuer ist verschwunden, die „Pallas“ qualmt sehr stark nach Backbordseite, dort kann wegen Rauch und Gas nicht mehr gefahren und von dort gekühlt werden. Die Seenotkreuzer sind nicht gasdicht.

 

05,45 Uhr:

Das offene Feuer bricht erneut mit großer Wucht aus.

 

06,17 Uhr:

Der ZMK erteilt der „Oceanic“ Einsatzorder. Sie soll zunächst Löschunterstützung fahren.

 

06,36 Uhr:

Die „Oceanic“ geht Ankerauf und läuft aus.

 

08.08 Uhr:

MRCC Dänemark schließt den Seenotfall „Pallas“ ab.

 

08,28 Uhr:

„Oceanic“ erreicht den Schleppzug Pallas-Mellum. Wetter: Wind Südsüdwest 9, Seegang knapp 3 Meter. Wassertiefe 17,5 Meter. Er steht 5 Sm westlich der Amrumbank und läuft einen südwestlichen Kurs. „Oceanic“ bespricht nach Lage vor Ort mit „Mellum“, dass diese weiterschleppen soll „bis die Verbindung bricht“. Auf Umspannen wird verzichtet.

 

11,20 Uhr:

Die Leinen der „Mellum“ brechen vor der "Pallas", der Trossenrest hängt im Wasser. Die „Mellum“ scheidet aus, weil sie keinen weiteren Schleppdraht klar hat und wie die „Neuwerk“ das eigene schwere Geschirr nicht herüberhieven kann. Die „Oceanic“ fährt Stand by und löscht. Sie muss dem Vertragsschlepper der Reederei zunächst Vorrang lassen.

 

11,22 Uhr:

„Alex Gordon“ versucht, an der Pallas festzumachen, das mißlingt.

 

12,27 Uhr:

„Alex Gordon“ fischt nach langem Bemühen die abgerissene Leinen der „Mellum“ und „verknotet“ sie an den Schleppdraht.

 

12,39 Uhr:

Beim Anschleppen bricht die Verbindung. Der Versuch anzubinden wird aufgegeben.

 

13,35 Uhr:

Über den ZMK wird ein Hubschrauber des Bundesgrenzschutz bestellt, da kein SAR-Hubschrauber verfügbar und der Hubschrauber von Helgoland noch nicht wieder stratklar ist.

 

14,16 Uhr:

Der Hubschrauber übernimmt den 1. Offizier und 4 Mann der „Neuwerk“, um sie auf die „Pallas“ zu fliegen. Mit Booten kann nicht übergesetzt werden, da die See zu hoch läuft, die Lotsentreppe der „Pallas“ an Backbord zu hoch hängt, sich im Brandbereich der Luke 2 befindet und die Rauchentwicklung das Annähern vonBackbord nicht ratsam erscheinen läßt. Außerdem hängen von der übergegangenen Decksladung Ketten, Rungen und Spieren außenbords und stechen in die See. Auch das Tochterboot der „Wilhelm Kaisen“ verweigert die Absetzung.

Im Bereich der „Pallas“ befinden sich nun das Fischereischutzboot „Meerkatze“, das Bundesgrenzschutzboot „BGS 21“, der Bohrinselversorger „Alex Gordon“, der Bergungsschlepper „Oceanic“, die Mehrzweckschiffe „Mellum“ und „Neuwerk“, die nach Klarieren der Schraube in Helgoland nach Cuxhaven zurückgelaufen ist sowie der Seenotkreuzer „Wilhelm Kaisen" und seine spätere Abslösung, der Seenotkreuzer „Hermann Helms“.

 

Anmerkung aus und zum Protokoll des „Pallas“-Untersuchungsausschuß des Schleswig-Holsteinischen Landtages, 20. (10.öffentliche) Sitzung vom 29.03.1999, aus der                     

Vernehmung des Kapitäns Pohl, Kapitän der Schleppers Oceanic).

Die „Oceanic“ schlägt  dem ZMK vor, mit einem Transporthubschrauber Schleppgerät (Leinen, Vorläufer etc.) und ein Team auf der Pallas abzusetzen, das dort die Schleppverbindung aufbaut, damit der Schlepper mit einer Schießleine den Vorläufer fischen und anschäkeln kann, was sich rasch erledigen ließe, anstatt das schwere Geschirr auf die Back der „Pallas“ zu hieven, da dort keine maschinelle Hievkraft mehr zur Verfügung steht und die „Oceanic“ das Schleppgeschirr mit der eigenen Winde hieven müßte, was mindestens 2 Stunden oder bei dem Wetter länger in Anspruch nehmen würde. Die „Pallas“ steht nahe der 10 Meter-Tiefenlinie und driftet  mit 1,5 Knoten in Richtung auf die Amrumbank. Der Schlepper hat 7,3 Meter Tiefgang und kann nicht über die 10 Meter-Line bei diesem Seegang, da er auf den Grund durchsetzen würde. Das muß beim ZMK erst eruiert werden, um herauszufinden, ob das möglich ist. Später fragt der ZMK die Transportgewichte ab. Der ZMK erteilt den Bescheid, dass die Hubschrauberwinden ( bis ca. 250 Kg.) der eingesetzten Hubschrauber die Last nicht tragen können. Die „Oceanic“ ist der Meinung, dass geeignete Transporthubschrauber bei der Bundesmarine oder den Heeresfliegern vorhanden sein müßten und der ZMK und das Küstenwachzentrum KüWaZ dazu Kontakt herstellen können müßte. Dort wurde vom  ZMK und KüWaZ nicht nachgefragt.

(Anmerkung des Autors: Offensichtlich dem ZMK/KüWaZ unbekannt bzw, nicht ermittelt wurde, dass die verwendeten SAR-Hubschrauber Typ Seaking insgesamt ca. 2,6 t. Außenlast tragen können. Bei der Lufttransportstaffel der Heeresflieger LTH Heer und der Bundesmarine vorhanden sind folgende geeignete Transporthubschrauber: NH90, leichter Transporthubschrauber, Außenlast 2,8 t.; dito die Version  NFH-NATO Frigate Helicopter, Bordhubschrauber der Fregatten der Bundesmarine; Sikorsky CH-53G, Mittlerer Transporthubschrauber,  max. Außenlast 6 t. Transporthubschrauber des Bundesgrenzschutz BGS: Aerospitale SA 330 J Puma, Last 3 t. Es wäre möglich gewesen, wie aus späterem Einsatz an der Pallas hervorgeht, die Sikorsky CH-53G zu ordern und einzusetzen, es bestand noch ausreichendes Tageslicht. Nachts wird nicht geflogen, auch SAR fliegt nachts nur bei besonderen Noteinsätzen.). (Das Flottenkommando Glücksburg führt dazu aus, gegen Mitternacht der 25/26.10.1998 die erste Fluganforderung vom Marinekommando Aarhus, deren Bestandteil das RCC-Center ist, erhalten und den SAR-Hubschrauber Helgoland abkommandiert zu haben, um die Besatzung abzubergen. Später seien einige Transportflüge abgewickelt worden. Ein Auftrag sei abgelehnt worden, weil er einerseits unmöglich, andererseits unzulässig gewesen sei. Unmöglich sei gewesen, diese Last, Bergungsgerät, Drähte und Trossen im Gewicht um 1.000 Kg. und Ketten im Gewicht von 450 Kg., im Hubschrauberinnenraum zu transportieren und von dort abzusetzen, dazu sei die Last zu sperrig und schwer. Unzulässig sei, solche Last als Außenlast im Netz auf ein brennendes Schiff zu transportieren wegen der erhöhten Unfallgefahr.) (MRCC Bremen erklärte, dass Hubschraubereinsätze in der Regel der Personenrettung dienen, wenn der militärische SAR-Dienst – stets über das Flottenkommando Glücksburg, der die militärische RCC-Zentrale angegliedert ist -  in Anspruch genommen wird, was der Regelfall ist, da andere Organisationen nicht über die maritimen SAR-Hubschrauber verfügen. Transportflüge seien nur dann zulässig, wenn es darum ginge, Schiffe mit Personen zu retten bzw. die Sachwertbergung dem Zweck diene, die daraus befindlichen Personen zu retten. Das könne z.B. bei Transport von Feuerwehren angenommen werden. Reine Transportflüge zur Sachwertbergung hingegen seien durch den SAR-Dienst unzulässig und könnten nicht abgerufen werden. Die DGzRS = MRCC Bremen würden bei Hubschraubereinsätzen stets doppelgleisig vorgehen und einen Seenotkreuzer auslaufen lassen, weil es ja immer möglich sei, dass auch der Hubschrauber in Not gerät oder abbrechen muß, dann verginge zuviel Zeit, dann erst in Marsch zu setzen. Zumeist dreht der Keuzer dann nach der Hälfte der Strecke wieder um.)

 

Kapitän Pohl gab weiter zu Protokoll: Er bat um Hubschrauberunterstützung, um seinen 1.O auf die „Neuwerk“ zu fliegen zur Einweisung, dort weitere 4 Mann und 2 Feuerwehrleute aus Cuxhaven aufzunehmen, um sie auf der „Pallas“ abzusetzen zur Herstellung einer Schleppverbindung. Er wies darauf hin, dass die „Oceanic“ personell soweit unterbesetzt gewesen sei als Notschlepper, dass er ausschließlich eine Schleppverbindung von Bord habe anbieten können, Absetzteams konnten aus der Restbesatzung nicht mehr gebildet werden, da alle Mann für den Schiffsbetrieb benötigt wurden.

Auch der 1.O, der die Arbeit auf dem Schleppdeck leitet, während der 2.O auf der Brücke Dienst tut, war eigentlich unentbehrlich. Er habe nach Abgabe des 1.O.  den 2.O. mit der Leitung auf dem Schleppdeck beauftragen müssen und das Schiff allein von der Brücke aus gefahren, daher habe er auch den allgemeinen Funkverkehr nicht verfolgen können, sondern nur direkte Anrufe an die Oceanic aufgenommen, da in dieser Zeit zur Vorbereitung der Schleppverbindung alle Hände an Deck benötigt wurden. Der Kapitän der „Meerkatze“ erklärt, dass „Neuwerk“ und „Mellum“ um Personalunterstützung gebeten hätten, offenbar sei auch dort die Besatzung knapp kalkuliert und kein Absetzteampersonal frei gewesen. Er habe dem zugestimmt, da seine Leute kompetent im Schleppen seien, da sie schon Fischereifahrzeuge von Grönland her geschleppt hätten, er habe seinen 1.O und drei erfahrene Mann abgestellt.

 

Kapitän Pohl berichtet weiter, dass durch den Ausfall des SAR-Hubschraubers Helgoland erhebliche Zeit ungenutzt verstrichen sei, „irgendwann sei ein Hubschrauber des BGS erschienen“. Der Pilot habe sich redlich bemüht, sei aber offenbar sehr unerfahren in Absetzungen in bewegter See gewesen, sei übervorsichtig geflogen und habe seinen 1.O sofort wieder aufgewischt, nachdem er zu tief gekommen und gegen die Bordwand geschlagen sei. Er habe anschließend den 1.O und die vier Mann der „Neuwerk“ wieder auf der „Oceanic“ abgegeben und sei mit den 2 Feuerwehrleuten nach Helgoland geflogen. Er sei mind. 1 Stunde zu spät erschienen, als die Pallas bereits in der Brandung und Grundsee der Amrumbank trieb. Außerdem habe das Schiff aperiodisch gerollt bis 50° je Seite und sehr weit übergeholt. Vermutete Ursache: frei flutendes Löschwasser in den Laderäumen, das Stunden zuvor wohl noch nicht da  gewesen sei den Schiffsbewegungen nach. Es sei dann beraten worden, was weiter zu tun sei. Währenddessen sei die „Pallas“ knapp am Südende der Amrumbank vorbeigetrieben und bewegte sich nun auf das Festland der Insel Amrum zu. Kritisiert wurde später auch, der BGS-Hubschrauber sei für das Wetter zu leicht gewesen und habe daher nicht ruhig über der „Pallas“ hovern können, das Vertrauen in die Piloten des BGS sei sehr gering gewiesen, die Einsatzteams hätten sich später für den BGS verweigert und entschieden, nur noch mit schweren SAR-Hubschraubern, die auch bei Sturm in der Luft stehen können, und deren in solchen Absetzungen erfahrenen Piloten zu fliegen. 

 

Pohl kritisiert weiter, dass die zuerst abgesetzten Männer der Meerkatze offenbar mit der Situation überfordert, da in Sachen Bergung nicht erfahren genug waren, sie haben den  standardmäßigen „Versicherungsdraht“, einen Stahlschleppdraht von 45 mm Durchmesser und 200 Meter Länge der Pallas, den der 1.O der „Oceanic“ später in der Trossenlast unter der Back sofort gesucht und gefunden hat, nicht bemerkt bzw. sich nicht in die heiße Back getraut, was in anderem Protokoll der Kapitän der Meerkatze damit entschuldigt, dass die Leute der Meerkatze auf solche Extrembergungen nicht eingerichtet und vorbereitet seien. Man habe im guten Willen Hilfe angeboten und das ihnen Mögliche versucht. Pohl gibt zu Protokoll: „Schiffsbergung ist eine spezielle Tätigkeit, die hohes Können und Erfahrung benötigt. Das Wissen und Können der Besatzung entscheidet. Auch der modernste Schlepper ist ohne erfahrene Besatzung völlig unbrauchbar“. Der 1.O. der „Meerkatze bemängelte, die „Neuwerk“ habe sich zwar sehr nahe an die „Pallas“ heranmanövriert, habe jedoch dort nicht ausreichend Position und Distanz gehalten, sodass die Trossen lose gekommen seien oder zu steif, sie hätten dann nicht mehr durchgeholt werden können. Man habe sich darüber sehr gewundert, da die „Neuwerk“ mit Abstand das manövrierfähigste Schiff vor Ort gewesen sei, dass diese Lage sicher hätte beherrschen müssen. Diesbezügliche UKW-Anrufe an die „Neuwerk“ seien nur schleppend verspätet bis garnicht beantwortet worden, was unüblich und in solcher Lage „unanzeptabel“ sei. Es sei der Anschein entstanden, die Besatzung habe die „Neuwerk“ nicht ausreichend in der Hand gehabt und bearbeiten können.

 

(Anmerkung des Autors: Wie sich später zeigte, zeigten die „Mellum“ wie auch die „Neuwerk“ deutliche Einschränkungen im Manövrierverhalten in schwerer See. Durch den geringen Tiefgang tauchten häufig die Schrauben aus dem Wasser, wenn die Schiffe zu Kehr gehen und hart arbeiteten schon bei mittleren Seegängen um 4-6 Meter, damit ging die Steuerkontrolle verloren. Die Schiffe konnten versetzt werden durch Seeschlag. Die Oceanic war hier deutlich im Vorteil, weil deren Propeller tiefer im Wasser liegen. 1999 erlitt die „Mellum“ auf der Elbe bei Tonne 10 und Wind 10 einen Seeschlagschaden, der zu einer Verformung des Brückanaufbaues im Bereich Backdeck führte, bei dem fast 10 mm starke Deckbeplattungen wie Wellblech zusammengeschoben wurden, die Räume im Aufbau wurden zerstört. Der vordere Maschinenstore lief voll, man befürchtete einen Riß im Kollisionsschott. Das bestätigte sich nicht, jedoch wurden bis zur Reparatur alle Fahrerlaubnisse und Zulassungen eingezogen. Es war nun klar, dass die Mellum für ihre Aufgaben nicht ausreichend seetüchtig war insbesondere bei schwerem Wetter und den Anforderungen an Bergungsschiffe nicht genügte. Neben der Wiederherstellung der Aufbauten wurde ein größerer Umbau erforderlich, bei dem das Schiff um 7,1 Meter im Vorschiff verlägert wurde und eine Sprungvergößerung erhielt, um höher aus dem Wasser zu kommen.)

 

Nach allen Zeugnissen auch der Kapitäne der „Mellum“, „Neuwerk“, „Oceanic“ und „Wilhelm Kaisen“ sowie der „Meerkatze“ und der Mitarbeiter des MRCC Bremen und des ZMK wurde offiziell kein Schiff vom ZMK zum Commander on Scene C.o.S ernannt. Die Kapitäne nahmen an, das eines der Behördenschiffe – „Mellum“ oder „Neuwerk“ – das Kommando führe, weil es generell üblich sei, dass bei Anwesenheit die Behörde führt. Teils irreführend war auch der Funkverkehr, da neben dem allgemeinen offenen UKW-Verkehr auch der interne Behördenfunk der Behördenschiffe benutzt wurde, den die übrigen Schiffe nicht/nur begrenzt mithören konnten. Die Kapitäne der „Mellum“ und „Neuwerk“ gaben zu Protokoll, dass es keine Klärung und Absprache zwischen beiden Schiffen gegeben habe, welches Schiff und welcher Kapitän führt. Man habe sich jeweils auf den Kollegen verlassen sozusagen. Der ZMK habe ebenfalls die unklare Kommandolage nicht erkannt und nicht geklärt und sich auf die Behördenschiffe und deren Entscheidungen vor Ort verlassen.

 

14,38 Uhr.

Da die „Pallas“ inzwischen schwer in der Grundsee und Brandung vor der Amrumbank arbeitet in Brechern bis 9 Metern Höhe und der Hubschrauber wegen der Antenne auf dem Mast an der Back der „Pallas“ über 15 Meter hoch anfliegen muß und das eher zaghaft versucht, wird der zuerst  abgewinschte 1.O der Oceanic schwer herumgeschleudert und gegen die Bordwand geschlagen, er verletzt sich dabei. Er wird sofort wieder  hochgerissen, der Absetzversuch wird abgebrochen. Die Männer werden zurück zur Oceanic geflogen und dort abgesetzt. 

 

14,52 Uhr:

Die Absetzung ist erfolgreich.

 

15.30 Uhr.

Es wird mit dem ZMK abgesprochen, einen Mann auf der „Pallas“ abzusetzen zur Notankerung.

Bootsmann Beck von der „Neuwerk“ meldet sich freiwillig.

 

16,01 Uhr:

Der vom ZMK beauftragte SAR-Hubschrauber von Kiel nimmt den Bootsmann auf.

 

16,12 Uhr:

Der Bootsmann wird erfolgreich auf der „Pallas“ abgesetzt.

 

16,19 Uhr:

„Pallas“ meldet Anker Backbord klar zum Fallen.

 

16,20 Uhr:

Anker fällt.

 

16,30 Uhr:

Anker mit 7 Kabellängen (175 Meter) zu Wasser.

 

16,41 Uhr:

Der Hubschrauber birgt den Bootsmann ab.

 

16,45 Uhr:

Der Bootsmann wird auf der „Oceanic“ abgesetzt, da dem Piloten die Abesetzung Neuwerk zu gefährlich erscheint, da sie sehr schwer arbeitet und das Landedeck relativ klein ist, an dessen Vorderkante steht ein großer Kran. 

Die „Mellum“, „Neuwerk“ und „Oceanic“ stellen für den Tag die weitere Arbeit ein, weil die Pallas zunächst fest und sicher zu liegen scheint, teilweise ankern sie, teilweise stehen sie auf und ab, die Besatzungen sind erschöpft. Auch wegen der einbrechenden Dunkelheit wird die weitere Arbeit für nicht sinnvoll erachtet.

 

17,00 Uhr:

Die „Alex Gordon“ versucht, mit einem Chain-Chaser die Ankerkette zu fischen, um den Schleppdraht festzumachen. Sie fischt zwar die Kette, verliert sie jedoch durch starkes Einstampfen in die See zweimal.

 

22,20 Uhr:

Es ergeht Lagebericht an den ZMK.

 

22.30 Uhr:

„Alex Gordon“ stellt die erfolglosen Versuche ein.

 

 

Mittwoch, 28.10.1998:

 

06,18 Uhr:

„Oceanic“ gibt Lagebericht an den ZMK. Wetter: Wind West, später west zu Nord, 8 bis 9, Seegang 4-5 Meter, Schwere Schauerböen mit Wind 12.

 

08,03 Uhr:

„Oceanic“ auf Position „Pallas“. „Oceanic“ inspiziert das Schiff und untersucht, auf welche Weise eine Schleppverbindung hergestellt werden kann. Es wird zunächst erwogen, einen laufenden Schäkel auf die Ankerkette zu legen und daran die Kette auf das Heck der „Oceanic“ zu hieven, um den Schleppdraht anzuschäkeln. Da für diese Arbeit an der Kette keine Leute frei sind, bietet „Meerkatze“ an, mit ihrem Personal und Ride-Boot die Arbeit vorzunehmen. Da das Boot zu leicht ist, das schwere Geschirr zu tragen, auch der Draht kann nicht ins Boot geschossen werden, da dafür darin kein Platz ist, die „Oceanic“ sehr dicht an die „Pallas“ heranfahren muß und dann das Boot im Propellerstrom der „Oceanic“ arbeiten müßte, wird dieses Angebot verworfen.  Es wird nun erwogen, dass die „Mellum“ an Steuerbord ihre Schlepptrosse durch die Zentralklüse auf die „Pallas“ gibt und die „Oceanic“ an Backbord diese übernimmt und mit weiterer Zugleinenführung durch die Steuerbordklüse auf die Back hievt, da ja die „Pallas“ tot ist und nicht hieven kann. Die Details werden nicht weiter diskutiert, der Kapitän der „Mellum“ ist einverstanden, dass sein Schleppgeschirr von der „Oceanic“ gehievt wird. Die „Mellum“ hat keine eigenen Hievmittel, den eigenen Schleppdraht selbst an Deck zu hieven, daher kann sie auch nicht im Gegenzug das schwerere Schleppgeschirr der „Oceanic“ auf die „Pallas“ hieven. Die Mellum wird auch gewählt, weil sie weniger Tiefgang hat und daher näher an der „Pallas“ liegen kann. 

 

08,40 Uhr:

„Oceanic“ unterrichtet ZMK und bestellt einen Hubschrauber, um den 1.O und die 4 Mann der „Neuwerk“ wieder auf die „Pallas“ zu fliegen.

 

09,46 Uhr:

Der Hubschrauber übernimmt die Leute.

 

10.00 Uhr.

Die Pallas beginnt zu treiben, der Anker rutscht.

 

10,20 Uhr:

Die Leute werden auf der „Pallas“ abgesetzt.

 

10,22 Uhr:

Der 1.O sucht und findet den „Versicherungs“-Reverveschleppdraht der „Pallas“, 4,5 Zoll Draht 200 Meter. Dieser ist in bestem Zustand.

 

10,25 Uhr:

Es wird mit der „Mellum“ abgesprochen, den Draht zu übernehmen und auf den Schleppdraht zu schäkeln. Die Männer mannen in mühsamer Arbeit den Draht auf die Back und belegen ihn.

 

12,25 Uhr:

Schleppdraht liegt klar.

 

12,37 Uhr:

Die „Mellum“ geht heran und stellt Schießleinenverbindung her.

 

13,03 Uhr.

Versicherungsdraht fest am Draht  der „Mellum“, der eigene Draht der  „Mellum“ wird ausgesteckt.

 

13,05 Uhr.

Steuerbordanker „Pallas“ klar zum Fallen.

 

13,18 Uhr:

Mellum-Draht auf Länge 700 Meter ausgefahren.

Zwischenzeitlich: der 1.O bestellt ein Schweißgerät zum Durchbrennen der Ankerkette Bakbordanker. Da die „Oceanic“ kein mobiles Kompaktschweißgerät hat, nur Standardflaschen mit Schweißbrenner, weigert sich der Hubschrauber, wegen Explosionsgefahr der Flaschen diese zu fliegen. Es wird nach einigem Hin und Her von der „Mellum“ ein mobiles Gerät geholt.

 

13,24 Uhr:

Bakbordankerkette wird durchgebrannt

 

13,28 Uhr:

Ist durchgebrannt, Kette fällt. „Mellum“ schleppt an.

 

13,50 Uhr:

Die „Mellum“ schleppt mit 2-3 Knoten Fahrt über Grund. Um frei von der Küste zu kommen schleppt die sie teils vierkant gegen die See mit geringer Fahrt, um die Schleppverbindung nicht zu überlasten.

 

13,58 Uhr:

Die Schleppverbindung bricht am Auge zum Schäkel zum Draht der  „Mellum“. Wetter: Wind Westnordwest 9 bis 10, Seegang 4 bis 5 Meter.

 

14,02 Uhr:

Steuerbordanker „Pallas“ fällt.

 

14,20 Uhr:

Anker mit 6 Längen (150 Meter) Kette gesteckt, Anker hält nicht, die „Pallas“ driftet mit 1,5 Knoten.

 

15,10 Uhr:

„Oceanic“ bestellt Hubschrauber zur Abbergung der Leute.

 

15,45 Uhr:

Hubschrauber birgt das Team ab.

 

16,09 Uhr:

Hubschrauber versucht, den 1.O.  Auf der „Oceanic“ abzusetzen.

 

16,19 Uhr:

Der Versuch muß abgebrochen werden.  Das Team wird nach Helgoland geflogen.

 

20,38 Uhr:

„Meerkatze“ meldet, „Pallas“ treibt mit 0,25 Kn. Nach Ost, 0,25 Sm. vor der 10-Meterlinie.

 

21,25 Uhr:

ZMK informiert die gemeinsame Einsatzleitgruppe und setzt diese in Bereitschaft.

 

 

Donnerstag, 29.10.1998:

 

00,15 Uhr:

„Alex Gordon“ meldet, „Pallas“ treibt mit 0,5 Knoten. Weter mit Wind West unverändert.

 

06,10 Uhr:

Neuwerk trifft ein. Die „Pallas“ wird zum Wrack erklärt.

 

07,50 Uhr:

Die „Pallas“ treibt hinter die 5-Meterlinie. Damit haben die Schiffe keine ausreichende Wassertiefe mehr. „Oceanic“ gibt Meldung an ZMK und läft nach Helgoland ab, um den 1.O aufzunehmen.

Die „Pallas“ stößt in der  Folgezeit auf Grund und setzt mehrfach auf, erste Ölaustritte gesichtet. Sie brennt noch immer.

 

 

Freitag, 30.10.1998:

 

08,15 Uhr:

Aktivierung des ELG durch Beauftragte des Bundes und Schleswig-Holstein. ELG unter Vorsitz Niedersachsen übernimmt die weitere Eisatzleitung für das Abschleppen und die Ölentsorgung.

Ölauffangschiff Westensee wird angefordert.

 

 

Sonnabend, 31.10.1998:

 

10,27 Uhr:

2 Bergungsinspektoren der Fa. Wijsmuller gehen im Auftrag der Reederei an Bord der „Pallas“, sollen Feuerlösch- und Entsorgungskonzept entwickeln.

 

 

Montag, 01.11.1998:

 

10,10 Uhr:

Die „Pallas“ liegt mit Vorschiff auf Grund. „Alex Gordon“ versucht um 10,00 und 19,00 Uhr bei Hochwasser Schleppverbindung herzustellen und anzuschleppen, beidemale bricht diese.

 

17,16 Uhr:

Ölauffangschiff Westsee trifft ein,  kann wegen des Wetters nicht eingesetzt werden.

 

 

Mittwoch, 03.11.1998:

 

ELG zieht Havariebüro Kapt. Möller & Partner, Bremerhaven, als Sachverständige bei.

ELG fordert Reederei der „Pallas“ auf, ein Konzept zur Bergung der „Pallas“ abzugeben.

 

  

Donnerstag, 04.11.1998:

 

„Mellum“ stellt Schleppverbindung mit Polyprop-Leine her, Verbindung bricht. Drahtverbindung mit „Alex Gordon“ hergestellt, Hilfsschiff „Westerstede“ bekommt Leine in die Schraube, Schleppversuch muß abgebrochen werden.

 

02,00 Uhr.

Schlepper „Englishman“ trifft ein.

 

  

Freitag, 05.11.1998:

 

02.00 Uhr:

„Alex Gordon“ und „Englishman“ haben angebunden und drehen den Bug der Pallas seewärts um 90 °, müssen dann wegen Niedrigwasser die Arbeit einstellen.

 

Mittags: Die Schlepper drehen die „Pallas“ um 180 Grag seewärts und schleppen.

Abends: die Schleppverbindungen brechen, die „Pallas“ dreht zurück und treibt höher auf die Sände.

 

  

Sonnabend, 06.11.1998:

 

Mittags: Knick wird mittschiffs festgestellt, das Schiff droht durchzubrechen.

ELG stellt fest, dass Schleppen nicht mehr möglich ist.

 

17,00 Uhr:

Reederei erklärt die „Pallas“ zum Wrack.

 

Im weiteren:

Es erfolgen umfangreiche Bergungsversuche, die erfolglos bleiben, das Feuer wird gelöscht und das Schiff wird an der Stelle abgewrackt. Es gibt eine Ölverschmutzung von Belang. Das Abwracken, entölen und Versiegeln des Wracks dauert bis Mitte 1999.

 

23.11.1998:

 

Bergungsfirma Wijsmuller flutet endgültig die Laderäume des unverrückbar aufsitzenden Wracks und meldet „Feuer aus“.

 

 

Bericht des Einsatzleiters der Feuerwehr Cuxhaven Gillert:

 

Er stellt fest: Auf einem quer zur See treibenden Schiff kann die Feuerwehr nicht arbeiten, da es zu stark rollt und die Feuerwehrleute zu sehr mit der eigenen Sicherung beschäftigt sein müssen. Es muß in Fahrt sein oder gegen die See geschleppt werden. Arbeit ist möglich bis Seegang 3 Meter und Wind 6-7, wenn das Schiff in Fahrt ist. Der Orkan wirkt wie ein Turbolüfter, was aus dem schnellen Hochbrennen der Decksladung klar ersichtlich ist.

Besonders für Schiffsbrände auf See ausgestattet und ausgebildet sind die Feuerwehren von Cuxhaven, Brunsbüttel und Wilhelmshaven sowie Emden. Führend sind Cuxhaven und Brunsbüttel. In Cuxhaven steht für solche Fälle eine Einsatzeinheit von 12 Mann und einem Notarzt mit flugfähiger Ausrüstung zur Verfügung.

 

 

Montag: 26.10.1998:

 

14,30 Uhr:

Der ZMK teilt der Feuerwehr Cuxhaven mit, dass etwa 4,5 Sm westlich Sylt ein Holzfrachter von ca. 150 Meter Länge brennt. Frage an die Feuerwehr, ob sie sich einfliegen lassen wollen. Die Feuerwehr nimmt nach Rücksprache mit der Stadtverwaltung und Bezirksregierung an.

 

15,30 Uhr:

Die Einsatzgruppe ist mit 12 Mann abflugbereit.

 

15,35 Uhr:

Die ersten 6 Mann werden mit einem SAR-Hubschrauber abgeholt. Weil nur Rettungsmittel für diese 6 an Bord des Hubschraubers sind, eine zweite Rettungsinsel wird vergeblich gesucht, müssen 6 Mann in Cuxhaven bleiben. Sie sollen von einem weiteren Hubschrauber geholt werden, der kommt jedoch nie. Die 6 Mann bleiben in Cuxhaven.

 

Gegen 16,50 Uhr:

Der Hubschrauber trifft bei der Pallas ein, macht einen Rundflug zur Lageerkundung und setzt dann die Löschstaffel auf der Neuwerk ab, die Vorgänge werden von der Feuerwehr gefilmt. 

Der Hubschrauber soll nun zurückfliegen, um die andere Löschstaffel und die restliche Ausrüstung zu holen, dazu kommt es jedoch nicht.

Der Einsatzleiter meint, das Feuer mit 20 – 30 B-Schäuchen unter Kontrolle zu bringen.

Er hält einen sofortigen Einsatz beim herrschenden Seegang für möglich und geboten, wird aber von der „Neuwerk“ zurückgestellt, weil zuerst eine Schleppverbindung aufgebaut werden soll, es kommen die Leute der „Meerkatze“ zum Einsatz. Der Hubschrauber wird dafür abgestellt.

Der Einsatzleiter geht davon aus, dass das Feuer die größte Hitze in Luke 4 und 5 entwickelt hat, das Deckshaus ist äußerlich angebrannt, innen jedoch wie der Maschinenraum voll intakt und betriebsfähig. 

Er bestätigt weiter, dass es besser gewesen wäre, die Besatzung wäre an Bord geblieben,  was den Untersuchungsausschuss erstaunt hat, „da das Schiff brannte wie eine Scheune“. Gillert bestätigte, dass man mit dem frühzeitigen Werfen der Decksladung von Luke 6 eine Riegelstellung geschaffen hätte, über den man dann von Deck und von den Aufbauten hätte löschen können. Es hätte gereicht, das Schiff quer zur See zu legen und die Laschketten der Decksladung zu lösen. Der Wind hätte durch die rasche Abbrandrate des Intensivfeuers dafür gesorgt, dass auch die Laschketten der brennenden Decksladung rasch durchgeschmolzen wären und die brennende Ladung über Bord gegangen wäre – wie später auch erfolgt -. Damit wäre zunächst die größte Gefahr vorbei gewesen, das Schiff hätte mit eigener Kraft einen Nothafen anlaufen können. Das konnte die Besatzung jedoch wohl nicht wissen, sie sei daher überstürzt und voreilig von Bord gegangen, die Opfer wären so vermieden worden. Ideal wäre es gewesen,  die Besatzung teilweise bis auf die Ingenieure und Steuerleute abzubergen und einen Löschtrupp abzusetzen, der jedoch außer Kühlen auch nichts weiter hätte unternehmen können. Es wäre darauf angekommen, die Maschinen in Gang zu halten und das Deck zu kühlen. Das mit Öl verdreckte Lösch- und Bilgewasser hätte über die Separatoren abgeschieden werden können, solange die Maschinen liefen. Das wäre kein Problem gewesen. Das Begehen des Decks über den brennenden Räumen sei kein Problem, wenn ein Mann das Deck mit einem C-Schlauch kühlt. „Wenn dabei Sohlen anbrennen sei das eigentlich unprofessionell, obwohl sowas gelegentlich vorkäme“. Dass die Bordwände nicht durchgeglüht seien läge an den hochreichenden Wingtanks, die ein Durchbrennen nach Außen unterbunden hätten. Luken sind bei solchen Bränden nicht begehbar, es kann nicht eingestiegen werden. Besser wäre es gewesen, es spräche nichts dagegen, mit Schaum zu löschen gleich welcher Art, weil hier durch die undicht gewodenen Luken erheblich weniger Wasser in die Luke gelangt wäre (nur 10 % Wasseranteil im Schaum, der schnell verdampft wäre) und diese nach dem Mißerfolg der CO2-Gabe die Glut besser abgedeckt hätte. Man hätte also Schaum in die Luken geben können, dann wäre auch die Ladung nicht aufgeschwommen und daraus immer wieder neu aufgeflammt.

Eine umfassende Brandbekämpfung oder gar Löschung sei auf See jedoch nicht möglich gewesen.

Es wäre zweckmäßig gewesen, sofort Esbjerg anzulaufen (was versucht wurde), oder nach Cuxhafen oder Brunsbüttel zu gehen, jedoch nicht nach Helgoland. Verständlich sei jedoch auch, dass die Hafenverwaltung Esbjerg einen solchen Fall nicht haben wollte.

 

 

Im weiteren Verlauf:

ZMK meldet, die Feuerwehr solle weiter auf dem Schlepper bleiben, bis der Vertragsschlepper „Alex Gordon“ einträfe, das sei in etwa 6 Stunden der Fall. Eine Notliegeplatz sei nicht erforderlich, weil das Feuer je bereits durch die „Neuwerk“ und „Mellum“ gelöscht sei.

Das entsprach nicht der Wirklichkeit vor Ort.

Der Einsatzleiter bemüht sich inzwischen um einem Notliegeplatz im Bereich der WSA Kiel, die auch keinen anbietet.

 

Die „Neuwerk“ geht längsseits der „Pallas“, nachdem sie die Leine in der Schraube hat, und kühlt mit einem 20-Tonnen- und einem 6-Tonnenmomitor Deck und Deckshaus etwa bis Mitternacht. Die Feuerwehrmänner bedienen die Löschmonitore. Sie fahren dann mit nach Helgoland. Dort wird mit dem Kapitän der „Neuwerk“ entschieden, da ein neues Orkantief für den kommenden Nachmittag und Abend gemeldet ist, alles zu versuchen, umgehend im Helgoland auf die „Pallas“ zu gehen. Noch geht man davon aus, dass sie ankommt. Es soll versucht werden, über Luke 6 das Maschinenraumschott zu kühlen und Schaum-Wassergemisch in die Luke zu geben, um ein Übergreifen des Feuers auf die Aufbauten zu verhindern. 

 

 

Dienstag, 27.10.1998:

 

07,30 Uhr:

Es wird eine entsprechende Lagemeldung an Cuxhaven und ZMK angegeben.

 

07,45 Uhr:

Es wird Freiwachalarm für die Feuerwache Cuxhaven gegeben, um 12 Mann Einsatzteam zu alarmieren. Der Trupp soll mit seinem Gerät mit dem Seenotkreuzer „Hermann Helms“ nach Helgoland fahren.

 

11,20 Uhr:

Die Leinen der „Mellum“ brechen, die Schleppverbindung geht verloren.

Die Einsatzleitung entscheidet, dass die „Mellum“ zunächst nach Cuxhaven läuft und die Feuerwehrleute mitnimmt.

Zwischenzeitlich erfolgt der Enterversuch der der Mannschaft um den 1.O der Oceanic, der scheitert. Die beteiligten 2 Feuerwehrleute werden zum Stützpunkt Nordholtz geflogen.

 

17,15 Uhr:

Die „Neuwerk“ macht in Cuxhaven fest.

Der Leiter führt mit dem ZMK ein Lagegespräch, in den klargestellt wird, dass ein Löschen in See nun nicht mehr möglich ist, das sei nur im Schutz der Elbe realisierbar. Man einigt sich darauf nach Prüfung der Schiffs- und Staupläne der „Pallas“, die der Feuerwehr vorliegen, das Schiff nach Cuxhafen zu verholen und dort zu löschen. Die Feuerwehr und Ausrüstung bleibt nun mehrere Tage in Alarmbereitschaft. Der akute Einsatz vor Ort ist damit abgeschlossen.

 

 Nachwort:

Das Seeamt verkündet später, Hauptursache für den Unfall sei die ungenügende Brandbekämpfung an Bord gewesen. Insbesondere die CO2-Gabe sei ungenügend gewesen. Insgesamt seien jedoch alle Vorgänge nicht ursächlich für die Strandung vor Amrum. Gerügt wurden alle Amtsmängel und Fehleinschätzungen der Behörden wie die Abweisung in Esbjerg. Der parlamentarische Unersuchungsausschuss des Schleswig-Hosteinischen Landtages brachte viele einzelne Mängel und Ungereimtheiten zutage in einer langen Reihe von Sitzungen zur Zeugenvernehmungen. Der Abschlußbericht listet die Mängel auf. Als Konsequenz wird an einem neuen Sicherheitskonzept für die Nord- und Ostsee gerabeitet.

 

 

Kosten:

Es wird von insgesamt 25 Millionen DM Kosten ausgegangen.

Die Versicherung der Reederei zahlte 5 Millionen DM.

20 Millionen DM gingen zu Last der öffentlichen Hände der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

 

Beteiligte Schiffe:

   

 

Dazu der hier nicht aufgeführte Aufwand aus den folgenden Bergungsversuchen

 

Hubschrauber: 5 x SAR (Sea King), 1 x BGS.

 

Opfer: 2 Verletzte, 1 Toter.

             10.000 verendete Vögel aus Ölverseuchung.

 

Beschädigt:    „Neuwerk“, mehrere Schleppgeschirre und Leinen.

Totalverlust: „Pallas“, daher erfolglose Bergung zu Kostenlasten der Berger.

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