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20.11.2002: der Seenotfall des Flüssiggastankers „Gaz Poem“ vor Hong Kong

 

Der Originalfall     Anmerkung zur Gefahrenlage    Der Fallverlauf nach Stiftungskonzept

 

 Der Originalfall

 

Am 20.11.2002 um 02.00 Uhr gerät vor 24 Seemeilen vor Hong Kong der 1977 gebaute 49.000 dwt große LPG-Tanker „Gaz Poem“ mit 22.000 Tonnen flüssigem Petroleumgas in Brand. Er ist 230 m lang und 32 m breit.

Er ist von Saudi Arabien kommend vom Terminal Yuanmah am 20.11. in Hongkong eingelaufen und am gleichen Tage wieder auf der Ausreise nach Yantian, China. Der Tanker steht auf der Höhe Waglan Island, als Feuer im Maschinenraum ausbricht. Eine Treibstoffleitung ist gebrochen, das Öl spritzt auf den Motorblock und die heißen Auspuffrohre und entzündet sich.  Das Feuer greift später auf Teile der Aufbauten über, da die Besatzung Fehler bei der Feuerbekämpfung macht und dadurch die Gaslöschanlage nicht zum Tragen kommt. Das Schiff wird von der Besatzung aufgegeben wegen akuter Explosionsgefahr. 34 Mann werden problemlos gerettet. Es dauert wegen anhaltend schlechtem Wetter mehrere Tage, bis der Brand gelöscht ist. Der Wind hat das Feuer von den Ladetanks abgehalten. Der Tanker wurde noch vor Anker gelegt, damit er sich in den Wind dreht und der Brand auf das Achterschiff beschränkt bleibt, sonst wäre er explodiert. Es wird Smit Salvage beauftragt, den Brand zu löschen und das Schiff zu sichern. Von Singapore und Rotterdam werden Bergungsteams mobilisiert. In Kooperation wird der Bergungsschlepper "De Yue" der Guangzhou Salvage Companie geordert, einer der stärksten Bergungsschlepper, die es gibt, der die weiteren Arbeiten vor Ort übernimmt. 4 Boote der Küstenwache liegen beim Havaristen und beobachten das Geschehen. Mehr können sich auch garnicht tun. Die Löschung des Feuers und Bergung dauert wegen des schlechten Wetters mehrere Tage.

 

 

Der Hafen von Hong Kong hat keine eigenen Bergungskapazitäten bis auf den SAR-Flugdienst, die Polizei- und militärischen Kräfte im Nahbereich, ansonsten werden Handels- und Fischereischiffe zur Hilfe verpflichtet.

 

Anmerkung zur Gefahrenlage für Hong Kong und die Sicherheitsrisiken von Flüssiggastankern:

Bei Leckagen in LNG-Schiffen (LNG = Liquified Natural Gaz = Erdgas) sind Brände bisher glimpflich verlaufen, da das Gas in einer Stichflamme ohne Rückschlag in den Tank abgebrannt ist wie eine Schweißbrennerflamme. Die Leckagen waren Nadellöcher im Vergleich zu einem grossen Tankbruch. Was passiert, wenn ein solcher Tank grossflächig aufgerissen würde, insbesondere mit Zündflamme in das sich schlagartig vergasende Gas-Sauerstoffgemisch, hat noch niemand experimentell überprüft. Die Sprengkraft eines vollbeladenen grossen Gastankers entspricht der Sprengwirkung einer Hiroshima-Bombe mit einem Zerstörungsradius der Druckwelle bis 50 km, wurde als Theorem angenommen. Häfen wie Rotterdam haben sich daher Gasterminals im Hafenbereich verweigert. Kleine Tanker sind explodiert wie Kesselwagen der Bahn. Man kann also ahnen, was passieren würde, käme es zum grossen Unglück.  Das gilt in noch höherem Masse für LPG-Tanker (LPG = Liquified Petrol Gaz), also Tanker, die hochexplosive Industrie- und Benzingase fahren.

 

Was passiert, wenn ein mit Sprengstoffen beladenes Schiff in einem Hafen explodiert haben Unfälle mit Munitions- und Düngemittelschiffen (Ammonium-Salpeternitrate) und Landunfälle bewiesen mit Schiffsladungen um ca. 4.000 Tonnen. Die Stadt Halifax wurde weitgehend zerstört als Folge einer Kollision von zwei Schiffen; durch den Fall Oppau bei Ludwigshafen, als 1921 in der Raffinerie 4.500 Tonnen Düngemittel explodierten; durch den Fall 1944 im Flottenstützpunkt Manus (Bismarck-Archipel) durch Explosion des Munitionstransporters „Mout Hood“; durch die Explosionen der Frachter „Grand Champ“ und „Highflyer“ im Hafen von Texas City mit anschließender Explosion und Brand der dortigen Ölraffinerie 1947; sowie aus der Bombay-Katastrophe durch die Explosion des Frachters „Fort Stykene“ 1944 im Hafen von Bombay mit anschließendem Feuersturm in der Stadt, der die alte Kernstadt einäscherte. Moderne Gastanker haben um 170.000 cbm Flüssiggas geladen, dass sich bei Kontakt zur Luft um das 600fache vergrößert auf ca. 102.000.000 cbm Gas. Wenn diese Gaswolke gezündet wird gibt das eine sehr gewaltige Explosion. Man kennt das von den Hausexplosionen aus Gaslecks, wenn nur wenige Dezimeter bis Kubikmeter explodieren.

LPG-Gase sind schwerer als Luft und sinken zu Boden, also in die unteren Räume des Schiffs. Dort sind sie höchstexplosiv und lassen vom Schiff und allem im nahem Umfeld nichts mehr übrig.

 

Es ist daher keine Frage, dass solche Tanker sicher als Ziele von und hochgefährliche Angriffswaffe in den Händen des Terrorismus und organisierter Kriminalität anzusehen sind.

 

Fazit:

Es muss also möglichst verhindert werden, dass solche Schiffe überhaupt in Gefahr geraten. Der Faktor Zeit zur Gefahrenabwehr ist zwingend und im Terrorismusfall ebenso eine qualifizierte Durchsetzung der Gefahrenabwehr mit allen  Mitteln, ggf. auch der konsequenten Versenkung einer solchen fahrenden Bombe vor Erreichen seiner Ziele. Das auf erforderliche Distanz zur Eigensicherung mit dafür geeigneten Mitteln. Wollte man das aus der Nähe mit Kurzdistanzmitteln vrsuchen würde man selbst mit in die Luft fliegen. Höher ist das Unfallrisiko einzuschätzen, wenn die Gastransporte über See massiv zunehmen. Da ist dann die sehr schnelle und durchgreifende Hilfe absolut zwingend.

 

 

Fallverlauf nach Stiftungskonzept:

 

 

Zum Einsatz kommende Mittel:

 

1 S.A.R. - Rettungsschiff der "Angel"-Klasse

  


2 Hubschrauber AgustaWestland EH 101 - S.A.R. PetArt FS (Foundation Special)

 

21.11.202:

Die „Angel 23“ liegt in Hong Kong auf Station im Marine-Department-Bereich an der Gouvernment Pier unmittelbar vor der Hochhauskulisse von Kowloon. Vor sich hat sie ein großes Feuerlöschboot der Hafenverwaltung. Da schlechtes Wetter mit Wind über Stärke 6 herrscht, besteht Sofortauslaufbereitschaft. Die Hubschrauber stehen in Startbereitschaft auf dem Helideck.

 

02,00 Uhr:

Die „Angel 23“ hört eine Mayday-Meldung des Flüssiggastankers "Gaz Poem" mit, er meldet  "Feuer im Maschinenraum", und die üblichen Daten und seine Ladung. Der Wachhabende erkennt aus den Schiffsdaten des Havaristen, die mit übermittelt worden, sofort die Gefahrenlage. Es wird Großalarm für Feuerlöscheinsatz ausgelöst und die volle Besatzung auf Station befohlen. Die Maschinen werden in Grundschaltung für Höchstfahrtbetrieb angelassen. Die Hubschrauber werden nach der Feuerlöschrolle beladen und und die Container mit der Feuerstoßtruppausrüstung angehängt, die Piloten eilen zu den Maschinen. Ihre Infos erhalten sie im Pilotensitz, ein Vorabbriefing ist nicht nötig. Der Kapitän prüft anhand des Schiffsregisters die Daten nach. Dann nimmt er Kontakt mit der "Gaz Poem" auf und lässt sich die Lage berichten. Das Schiff läuft mit Kurs nach Yantian, China, steht 24 Meilen östlich Honkong bei Waglan Island und hat eine Ladung von 22.000 Tonnen hochexplosivem Petroleumgas an Bord. Mit der Videokamera der SATCOM-Anlage übermittelt die "Gaz Poem" aktuelle Bilder von Bord. Es gab einen Leitungsbruch mit Ölaustritt von Treibstoff, der sich entzündet hat, die Maschine brennt stark. Das ist also ein ganz klassischer Maschinenraumbrand, wie er häufig vorkommt. Man weiß also sofort, was die Crew erwartet. Sie bereitet sich nach der vielfach geübten Löschroutine darauf vor. Die Aufgaben und Mittel sind in dem Falle klar und verteilt. Als Einsatzleiter und  Brandmeister vor Ort fliegt der I.O (1. Offizier (XO)) der Angel. Stellvertreter und technischer Chef des Löscheinsatzes ist der 2. Ingenieur.  Der Chefingenieur der Angel, der Oberbrandmeister, leitet den Einsatz von Bord aus, während die nautische Brückenwache unter Leitung des 2.O das Schiff fährt. Der Kapitän koordiniert alle Aktivitäten und den Kontakt mit allen Behörden und der "Gaz Poem" als C.o.S.  Er leitet die Kommunikation und den Funk- und SATCOM-Verkehr. Alle diese Chefs sind am Brückenfahrpult versammelt, dort haben sie ihre Stationen und Kontrollen, der Kapitän leitet dahinter vom C.o.S. Platz aus. Das Einsatzteam hat auch Helm-Videokameras mit Funkübertragung  dabei, sodass die Einsatzleitung auf der Angel via Datenfunk und hilfweise Hubschrauber-Relaisfunk sowie SATCOM vor Ort mitsehen und mithören kann. Ein Assi plottet die digitalen Einsatzdaten und Kurse zur Sicherheit auf der Seekarte mit und führt die Tagebücher.

 

02,07 Uhr:

Die Angel meldet der Rettungsleitstelle Honkong und der "Gaz Poem" den Einsatzbeginn und fordert ein zusätzliches Einsatzteam der Feuerwehr Honkong an. Die Rettungsleitstelle gibt eine Warnung für die Schifffahrt heraus, Abstand von der Gaz Poem zu halten wegen Explosionsgefahr. Das Feuerlöschboot vor der Angel beginnt, sich bereit zu machen, aber draußen ist für das für den Hafenbereich gedachte Schiff wohl die See zu schwer, um effektiv arbeiten zu können. Über Funk wird die „Gaz Poem“ vom Oberbrandmeister der Angel beraten. Man versucht nun, den Maschinenraum zu schließen und CO2 darauf zu geben sowie das Schiff vor Anker zu legen, wenn möglich, damit es in den Wind schwojen kann. Aufgrund der geringen Flugstrecke von etwa 5 Minuten sollen beide Hubschrauber sofort nach dem Beladen mit dem Bordstoßtrupp von 8 Mann starten, während die Angel noch an der Pier auf den Feuerwehrtrupp wartet.

 

02,10 Uhr:

Beide Hubschrauber starten nacheinander, sammeln über der Angel und fliegen im Verbandsflug ab. Heli 1 fliegt die Crew mit der persönlichen und der Erstangriffs-Handausrüstung samt einer verstärkten Luftretter- und Absetzcrew, der Notarzt und das Notfall-Medikit fliegen mit. Heli 2 fliegt mit einer verstärkten Lademeisterei das schwere Löschgerät als Außenlast im Absetzcontainer, die Pumpen und Schläuche.

 

02,25 Uhr:

Beide Hubschrauber sind über der "Gaz Poem" und beginnen mit der Absetzung. Da sie kein Heli-Pad hat wird das Gerät am Lasthaken hängend geflogen und Steuerbord hinter der Back abgesetzt, dort ist der freieste Platz. Die Einsatztruppe wird mit dem Rettungskorb viermannweise abgewinscht. Ihre Ausrüstung folgt nach. Das Gerät wird von der Besatzung und dem Löschtrupp nach achtern transportiert.

 

02,36 Uhr:

Der Löschtrupp der Feuerwehr Honkong rückt ein und wird eingewiesen. Das Schiff wirft los und legt ab.

 

02,39 Uhr:

Der 1.O der Angel fordert nach schneller Besichtigung massiv Schaum an, da er nach Erstbesichtigung und schon aus der Luft  an der Rauchentwicklung sofort erkennt, dass einige Brandklappen nicht ordnungsgemäß schließen und das Feuer in den Schornsteinschacht schlägt. Es droht, sich als Ruß- und Auspuffbrand auszuweiten mit Übergreifen in den Aufbautenblock. Dann ist es bis zur Explosion des Schiffs nicht mehr weit. Er gibt das der Angel durch, die sofort die Löschmittelcontainer und Zusatzausrüstung auf das Flugdeck bringt. Die Angel läuft nun zunächst mit kleiner Fahrt an der Fairwaykante durch die  Belcher Bay zur Einsteuerung in den East Lamma Cannel und stoppt dort auf, um die Hubschrauber abzufertigen. Dass sie nicht unkontrolliert in Hafenbetrieb treibt oder nochmals ankern muss besorgt die 3-D-Selbstpositionierungsanlage, die sie auf der Stelle "neben der Fahrspur" hält.

 

02,50 Uhr:

Die Hubschrauber sind bei der "Angel 23" zurück und nehmen die Leute der Feuerwehr Hong Kong und das weitere Gerät auf.

 

03,04 Uhr:

Die "Angel 23"  dreht in den Central Fairway des East Lamma Channels und "dreht auf". Man hätte auch den Thathong Channel östlich Hongkong Island nehmen können, hätte dann jedoch durch das innere Hafengebiet langsam fahren müssen und noch mehr Zeit verloren, als „außen herum“ zu fahren. Dort kann man sehr hohe Fahrt laufen. Sie fährt als Vorrangschiff mit absolutem Wegerecht unter blauem Funkelfeuer und verscheucht unaufmerksame Mitläufer mit der Sirene, wenn sie überholt. Die Gegenkommer sehen sie schon von weitem und geben Raum, es wird das AIS-Vorrangkennungssignal laufend gesendet. Das schnelle Fahren in diesen dichtbefahrenen Binnenrevier ist eine sehr gefährliche und hochanspruchsvolle Sache, die die nautische Crew voll fordert. Sie kann sich ja nicht darauf verlassen, das die anderen sie rechtzeitig genung bemerken und ihre Fahrt richtig einschätzen, sich also richtig verhalten und ihnen nicht in die Quere fahren. Das gilt vor allem für die Fischerboote und die kleinen Dschnunken des Hafen- und Reginalverkehrs, die zudem viel zu langsam reagieren können, wenn die schnellen Angels heranrauschen. Daher ist es üblich, in solchen Reviren ausreichend langsam zu fahren und erst in freierem Wasser auf Höchstfahrt zu gehen. Bei solchen Gefahreneinsätzen ist es jedoch geboten, dennoch so schnell als möglich zu sein. Die Brücke ist daher mit beiden Wachen, doppelten Ausgucks und einem Radaroperator besetzt, der nichts anderes tut als dem das Schiff eigenhändig fahrenden Wachleiter alle Kontakte und Kurse anzusagen zur doppelten Kontrolle und Entlastung, da der Wachleiter die gleichen Daten vor sich auf dem Monitor hat, sich aber auf die Sicht voraus beim Fahren konzentrieren muss. Es ist wie beim Ralleyfahren: einer fährt, der andere sagt den Weg und die Wegpunkte, Tonnen und Ansteuerungen, wenn erforderlich die Ausweichkurse an. Alle auf der Brücke sind untereinander mit dem Brückenintercom vernetzt, tragen ihre Headsets, auch die Ausgucks außen auf dem Brückendeck und oben auf dem Peildeck. Jeder hört mit, welche Meldungen hereinkommen und was befohlen wird, es herrscht Funkdisziplin. Die Ausgucks hören die Ansagen des Radaroperators und melden ihm zur Gegenkontrolle den optischen Sichtkontakt und die Peilungen der gemarkten Ziele. Neben den opto-elektronischen Peilvisieren in den Nockständen außen haben die Ausgucks Spezialgläser mit digitalen trägheitsgesteuerten eingespiegelten Peildioptern.  Funkgesteuert marken sie ihrerseits damit die Ziele, der Bordcomputer verrechnet die Daten und stellt sie als Markierungsoverlays auf dem Kontrollmonitor des Radarmonitors dar. Der Radaroperator sieht dann optisch zur gehörten Ansage, ob sich Radarpeilung und optisch-trigonometrische Sichtung decken, und wenn sich etwas davon abweichend bewegt, in welche Richtung. Damit erkennt man auch geringe Abweichungen und beginnende Kursänderungen zu Überholender oder Mitläufer sowie deren Fahrtstufenänderungen schneller als sie das Radar selbst registrieren und darstellen kann. Zusätzlich ist bei solchen Fahrten die FLIR-Anlage und der laseroptische Nahfeld-Distanzmesser in Betrieb, mit dem gerade zu überholende Schiffe zusätzlich angemessen und überwacht werden, zum Beispiel, ob sie plötzlich ihte Maschinen hochfahren und Manöver einleiten, die kritisch werden können. Mit der Zoom-Kamera können Nahansichten der Schiffe herangezoomt werden, um sich einen Überblick über das Schiff und wenn einsehbar der Brückencrew zu machen, sozusagen um rechtzeitig zu bemerken, "ob da einer pennt" und selbst rechtzeitig ein Absetzmanöver einzuleiten.

Man darf nicht vergessen: Wenn ein Frachter mit 15 Knoten = ca. 30 Km/h eine Distanz von 5 Meilen zurücklegt, braucht er dafür etwa 20 Minuten. Da hat man Zeit, hinzusehen und Manöver zu planen und einzuleiten. Wenn eine Angel Höchstfahrt fährt, also etwa um 60 Knoten = ca- 110 Km/h braucht sie für die gleiche Distanz nur 5 Minuten, die Zeit also, um die Lage zu erkennen, richtig zu beurteilen und die nötigen Fahrmanöver einzuleiten samt Reaktionszeiten der Technik und der Steuerwirkung. Das ist Höchstkonzentration und Stress pur. Das können und dürfen nur besonders geschulte Profis, vom Wachleiter bis zum Ausguck. Es hat sich übrigens gezeigt, dass eine gemischte Crew aus Frauen und Männern hier besonders erfolgreich sein kann insbesondere, weil Frauen hier als das "kommunikativ-ruhigere Element" besser die Übericht wahren können, damit "männliche Adrenalinspitzen" ausgleichen und damit die Gesamtleistung verbessern können. Andererseits, wie der Löscheinsatz zeigt, muss die Besatzung auch körperlich stark und hochbelastbar sein, also "sportiv" und möglichst unemfindlich gegen Seekrankheit. "Wickinger", Hühnen" und "Kleiderschränke" nennt man das wohl im Volkmund.  Gemeint sind hier also "robuste Menschen", die körperlich wie mental stark , freundlich und ausgeglichen sind, "Teamworker" und hochspezialisierte Individualisten zugleich.  Er wird den außenstehenden Betrachter daher immer wieder erstaunen, mit welcher scheinbaren äußeren Ruhe und Gelassenheit, mit welchem Minimalismus an Aktion eine solche Fahrt auf der Brücke wie an allen anderen Stationen ablaufen wird, das Ergebnis auch eines umfassenden technischen wie mentalen Trainings an Bord wie im Simulator. Es werden eben Profis sein, die genau wissen, was und wann sie etwas tun oder lassen, und die auch noch Spaß daran haben sollen.  Es soll nicht nur Stress, sondern auch ein berufliches und mentales "Highlight" sein, so ein Schiff zu fahren und darauf zu arbeiten.

Es ist immer wieder ein imposantes beeindruckendes Bild, wenn eine Angel mit "Full speed" von achtern aufläuft. Das ist für den Überholten etwa so, als wenn er als LKW auf der Autobahn von einem Renn-Boliden auf der dritten Spur mit Vollgas überholt wird. Zunächst sieht man den hellen Blink, der auch in der Dämmerung, bei Dunst und Nebel gut zu sehen ist, dann den silbermetallikfarbenen Rumpf mit der kompakt-bullig wirkenden fensterlosen Frontansicht, den Streifen getönten Glases des Ruderhauses quer darüber, dem breiten roten Topp mit den schweren roten Monitoren darauf und im Mast das auch bei Tage gut sichtbare starke rotierende Blaulicht. Das ist unverkennbar signifikant. Wenn eine Angel mit dem Typhon Wegerecht einfordert und Kurssignale gibt, zum Beispiel auf welcher Seite sie überholen will, weckt das auch den Schläfer auf der Brücke, der ohnehin durch den AIS- und Radaralarm gewarnt und hingewiesen wird. Wenn sie dann mit leicht angehobenem Bug, der erstaunlich kleinen Bugsee, dem breiten weißen Wasserwall neben den Seiten herankommt und vorbeizieht ist es ein beeindruckendes Bild. Es erstaunt immer wieder, dass ein so großes Schiff so schnell fahren kann. Das bleibt vielen ein Geheimnis. Noch beeindruckender wird es, wenn sie anschließend ihr Heck zeigt, den gewaltigen Wasserstrom der Waterjets, der manchmal bogenförmig bis zur Höhe des Helikopterdecks reicht, und über dem dann ein kleiner Regenbogen steht, wenn die Sonne dazu passend scheint.  Was aber alle wissen: das ist kein "Privatspass" von Snobs, das sind die Retter, die einem selbst zu Hilfe kommen, wenn man im Wortsinn bis zum Hals in der Sch.....  sitzt. Das sind die Leute, die dann zu Hilfe eilen und einen gegebenenfalls selbst aus dem Wasser ziehen werden. Und jeder ist froh und dankbar dafür, dass es das gibt, dass er sich darauf verlassen kann. Da räumt man gern das Feld. Und jeder hofft trotzdem, dass er deren Hilfe nie in Anspruch nehmen muss. Ist man im Hafen, hat man ein wenig Zeit, nimmt man die sich gern, um sich diese aus der Nähe mächtig wirkenden Schiffe am Liegeplatz anzusehen, und wenn man sehr viel Glück und sich vorher angemeldet hat kann es passieren, dass man auch zu einem kurzen Besichtigungsbesuch an Bord eingeladen wird. Die Stiftung wird Wert darauf legen, dass die Seeleute insbesondere, die Mannschaften wie die Nautiker und Ingenieure sich einmal unmittelbar kennen lernen, anschaulich sehen, was und wer ihnen im Notfall zu Hilfe kommt, mit welchen Mitteln gearbeitet wird, wer die Menschen und Kollegen an Bord sind, die notfalls Ihr Leben für andere wagen, direkt von Mensch zu Mensch. Es geht um Vertrauen zwischen Menschen und Vertrauen in Kompetenz.

 

03,05 Uhr:

Die Hubschrauber erscheinen wieder über der "Gaz Poem" und setzen den Löschtrupp der Feuerwehr Hongkong und weiteres Gerät ab. Dann kreisen sie um den Tanker und fliegen Stand by. Inzwischen hat  seit 02,40 Uhr der Stoßtrupp den Brandangriff im Maschinenraum begonnen. Zunächst wird die Bordmannschaft des Tankers angewiesen, den Schornsteinschacht und die dort befindliche Auspuffanlage zu kühlen und naß zu halten, was unter Ansatz von Atemschutzgeräten erfolgt wegen der Rauch- und Gasentwicklung, dann geht der Stosstrupp der Angel unter Hitzeschutzanzügen und mit schwerem Atemschutz mit Hochdruck-Löschlanzen im Raum vor und legt einen Wassernebel. Das drückt das Feuer nieder, löscht es aber nicht, da Treibstoff weiter nachläuft und nachzündet. Die Hitze-, Rauch- und Gasentwicklung ist stark, das Schiff raucht stark aus dem Schornstein und den Lüfterklappen. Die Lüfter sind abgestellt und die Brandklappen inzwischen soweit sie dicht schließen und soweit wie möglich geschlossen. Schwere Vorschlaghämmer waren daran beteiligt, klemmende Klappen halbwegs dichtzuschlagen.  Außerdem ist wenig Sauerstoff im Raum wegen der erfolglosen CO2-Gaben. Es fließt jedoch Sauerstoff nach aus den undichten Brandklappen zum Schornsteinschacht, der Kamineffekt facht das Feuer daher weiter an. Wasser und Rußschlamm aus den Auspuffrohren und -töpfen, die nass werden dabei laufen nun durch die Löschmannschaft im Schacht ausgelöst nach unten durch und machen die Niedergänge und Flurplatten im Raum schmierig und glitschig.  

Der 1. O und 2. Ing. gehen nach dem ersten Vorstoß unter Naßhaltung durch das Team mit einem dritten Mann, der mit einer Fog-Lanze den Weg kühlt, in den Raum und stellen die Ventile der Treibstoffförderung und einige andere Ventile ab. Durch den hochliegenden Tagestank ist trotz stehender Treibstoffpumpe Druck auf der Fördereitung, aus der durchgeglühten Leitung und Pumpe leckt es weiter. Nach dem Schließen der Ventile erhält das Feuer keine Nahrung mehr. Der Tangestank ist selbst gefährlich heiss geworden, das ergibt die Temperaturmessung. Er wird nun gezielt gekühlt. Anschließend wird mit Schaumlöschmitteln der Raum gelöscht. Das Feuer hat zunächst weiter um sich gegriffen. Kabel, Farbanstriche, Kunststoffteile und der übliche Schmiermittel- und Hydraulikkreislauf, die Ölwanne des Motors werden leck, nähren das Feuer und brennen mit auf. Der Löschangriff ist eine extrem schwere und gefährliche Arbeit, da der Raum inzwischen glühend heiß geworden ist und die Männer nur jeweils 3 Minuten darin arbeiten können. Durch den dichten schwarzen Ölrauch im Raum sind die Männer nahezu blind. Sie werden via Video- und Sensoroptik, die durch den Rauch sieht, "durch den Raum gesprochen" von Bord der Angel aus wie assistierend vom WLAN-Laptop der Crew vor der Maschinenraumtür. Nach 3 Minuten im Raum müssen sie abgelöst werden, die nächste Crew geht hinein. Sensortechnik in den Schutzanzügen zeichnet die Vitaldaten der Männer auf, die der Bordarzt im Medikit verfolgen kann, er warnt die Männer, wenn sie sich überlasten und kann im Falle eines Unfalles sofort tätig werden. Das ist sehr wichtig auch für die Moral der Männer im Maschinenraum.

 

03,48 Uhr:

Die "Angel 23" bekommt die Gaz Poem in Sicht. Sie liegt im Dunkeln, man sieht die Hubschrauber, die mit den Scheinwerfern leuchten. Die Hilfsdiesel sind ebenfalls abgestellt, nur der Notdiesel für den Notstrombetrieb läuft hinter dem Ruderhaus. Das Steuerbordboot ist ausgeschwungen, das Backbordboot ist im Wasser. Der Kapitän hat 20 Mann evakuiert, 14 Mann unterstützen die Feuerwehr. Nur der schnelle Ansatz der Angel hat überhaupt verhindert, dass die gesamte Besatzung das Schiff geräumt hat. Kurz darauf dreht die Angel neben dem Tanker auf, lässt sich an das Achterschiff sacken und hält sich dort mit klargemachten Löschmonitoren dynamisch auf Position. Es besteht zunächst noch immer Explosionsgefahr, die nach dem Ende des Hauptbrandes jedoch weitgehend reduziert ist.

 

03,55 Uhr:

Der 1.O meldet „Hauptfeuer im Maschinenraum aus, Brandwache zieht auf, alle Räume werden abgesucht und kontrolliert“. Es werden nun alle Räume im Deckshaus und alle Nebenräume des Maschinenraums einschließlich des Wellentunnels und alle Tanks kontrolliert, die Brandwache zieht auf und löscht noch einige kleine Nachbrände. Anschließend werden die Flurplatten im noch immer sehr heißen Maschinenraum aufgenommen, ein Team steigt in die Bilge ein und löscht auch dort nach, da sich noch immer Feuernester in Öllachen halten und weiterschwelen. Es ist eine Höllenarbeit unter schwerem Atemschutz und Schutzanzügen in der glühendheißen Bilge und dem heißen Raum. Mit Fog-Nails werden das Team und die Bilge nassgehalten und gekühlt. Da die Maschinen stehen und auch die Hilfsdiesel abgestellt sind, kann das Bilge- und Löschwasser nicht direkt abgepumpt werden. Da die Entlüfter noch nicht laufen stehen weiter Rauch und Gas im Raum.  Sicherheitshalber wird noch kein Zug gemacht, um die letzten Brandnester nicht wieder anzufachen, sie werden zuerst abgelöscht. Durch den Schaumansatz und die Fog-Nails ist erheblich weniger Löschwasser gebraucht worden. Das Wasser steht daher nur knapp über den Flurplatten im Raum. Da die Pumpen des Schiffs stehen setzt das Löschteam eigene Dieselpumpen an und pumpt das Wasser über zum Glück passende Dockanschlüsse in den Sloop-Tank.  Inzwischen nimmt die Angel die Leute aus dem Rettungsboot auf und legt das Boot beigefangen fest, es wird später wieder auf den Tanker zurückkehren.

 

04,12 Uhr:

Auf der Angel sind inzwischen Gutachter und Vertreter der Hafenbehörde durch Hubschrauber der Hafenbehörde eingeflogen worden, Sie werden nach dem Löschen das Schiff und die Ladung überprüfen, wie weit das Schiff fahrunfähig ist und reparieren muß, da man es ungern mit der explosiven Ladung im Hafen haben möchte. Inzwischen wird das Wetter schlechter, der Wind frischt auf  Ost 7-8, der Seegang nimmt zu. Vor dem Wind würde das Schiff nach Hongkong Island treiben.

 

04,30 Uhr:

Da die Hauptgefahr beseitigt ist, werden die Hubschrauber zurückgerufen, sie landen nacheinander.

 

04,55 Uhr:

Während die Verhandlungen mit den Behörden des Löschhafens und den chinesischen Verwaltungen laufen, stellt der 1.O fest, dass die Hilfsmaschinen wieder angelassen werden können. Sie sind unbeschädigt geblieben, es droht hier keine Gefahr mehr. Das Elektrikteam hat mit der Maschinengang der "Gaz Poem" inzwischen alle elektrischen Leitungen durchgeprüft und durchgemessen, die durch Feuer beschädigten Stränge für den Hauptmaschinenraum werden vom Netz genommen. Teilweise werden fliegende Überbrückungsleitungen gezogen.

 

05,12 Uhr:

Die Hilfsdiesel 1 und 3 werden für den Bordstrom wieder angelassen. Die Schalttafeln halten, auch die Hauptschalttafel, eine Wache wird aufgestellt und beobachtet weiter. Es passiert jedoch nichts zum weiteren Glück. Das Schiff hat wieder Strom, was wichtig ist auch zur Überwachung der Ladung und deren laufender Entgasung. Vorsichtig werden die Lüfter wieder angestellt und hochgefahren, sie spucken längere Zeit schwarzen Rauch. Die Brandwache steht mit dem Löschgerät im Raum und und sieht in allen Ecken nach, ob irgendwo noch ein Brandnest aufflammt, der Raum bleibt aber dunkel, das Feuer ist aus.

 

05,36 Uhr:

Der 1.O der Angel meldet „Feuer endgültig aus“.Inzwischen sind 4 Küstenwachboote aus Hong Kong eingetroffen und liegen Stand by. Die Behörden verhandeln noch, wo das Schiff repariert und entladen werden soll.

In der Maschine wird nun mit den eigenen Pumpen die Maschinenbilge vollständig gelenzt und anschließend mit den Fog-Nails gewaschen, der Löschschaum wird entfernt und das schwarze Wasser in den Sloop-Tank gepumpt. Die Hauptmaschine ist erheblich beschädigt und nicht mehr fahrbereit. Die Ventil- und Kolbendichtungen sind verbrannt und müssen ersetzt werden, Teile von Förderleitungen sind weggeschmolzen. Es gibt noch weitere Schäden an den Hilfsaggregaten, das Feuer hat auch in der Ölwanne gewütet und die Kurbelwelle angeglüht, sie muß neu vermessen werden. Haarrisse werden im Motorblock entdeckt. Der genaue Umfang der Schäden kann erst in einer Werft festgestellt werden. Vielleicht ist damit der Tanker schrottreif, das wird sich noch zeigen. Der Tankerkapitän führt viele Telefonate mit der Reederei und der Versicherung. Die Reederei beauftragt zunächst nach L.o.F. Smit Salvage mit der weiteren Bergung. Das nächste Smit-Team liegt derzeit in Singapore, ein Ersatzschlepper ist noch nicht bestellt, da eigene derzeit nicht frei sind. Das wird noch verhandelt. Die Reederei fragt daher bei der Zentrale der Stiftung nach, ob diese die weitere Sicherung zunächst übernehmen kann. Die Zentrale sagt zu.

 

05,45 Uhr:

Das Tocherboot wird ausgesetzt und fährt die Gutachter zum Tanker, es nimmt auch den Bordarzt mit, der das Bergungsteam nun noch einmal persönlich überprüft und untersucht. Dann gibt es erst einmal ein mitgebrachtes kräftiges Frühstück aus der Kombüse der Angel für alle. Das Löschteam der Angel packt zusammen, der Einsatz ist zunächst beendet. Das Gerät wird später wieder von den Hubschraubern abgeholt und zur Angel herübergeflogen. Die 20 Mann der Besatzung des Tankers steigen nach dem Frühstück in ihr Rettungsboot und kehren zum Tanker zurück.

 

Ab 07,00:

Die Hubschrauber starten und holen das Gerät von Bord der "Gaz Poem". Die Feuerwehr Honkong bleibt auf dem Tanker und geht weitere Brandwache. Da der Maschinenraum inzwischen durchgelüftet ist kann er zu tragbarer Temperator von 45 Grad wieder normal begangen werden. Es wird weiter aufgeräumt. 5 Mann der Angel arbeiten dabei zunächst mit, der Rest kehrt mit dem Tochterboot auf die Angel zurück.

 

08,30 Uhr:

Die Hubschrauber sind gelandet und stehen auf den Helideck. Die Piloten und die Wartungscrew arbeiten wie immer die Checklisten ab. Die Angel bleibt Stand by auf Position. Die Gutachter sind auf der "Gaz Poem" tätig und befinden, dass der Ladebereich sich in normalem Zustand befindet. Für das Umpumpen in einen anderen Tanker auf See entscheidet man sich schon deshalb nicht, weil das Umpumpen von Flüssiggas viel zu gefährlich wäre. Wind Ost 7-8, Seegang 3,5 Meter. Die Verhandlungen laufen weiter. Die Reederei hat den Fall nun der Bergungsfirma formell übertragen.

 

19,18 Uhr:

Der Hochseeschlepper "De Yue", der von der Reederei und Bergungsfirma geordert worden ist, kommt an und nimmt die „Gaz Poem“ auf den Haken. Sie soll nach Yan Thien geschleppt und dort zunächst entladen werden. Die „Angel 23“ nimmt die restlichen eigenen Leute auf. Sie bleibt auf Stand by, bis die Schleppverbindung fest, der Anker wieder eingehievt ist, der Schlepper angetaut hat und der Schleppzug sicher in Fahrt ist. Eine Stunde noch läuft die Angel Stand by nebenher bis zur Entlassung durch die Reederei und die Behörden. Dann kehrt sie um, der Seenotfall ist beendet. Die Einsatzcrew ist todmüde und erschöpft, nach einem königlichen Mahl und einer erfrischen Dusche geht man in die Kojen und stellt die Augen auf Null. Die Kombüsencrew weiss, was die Männer und Frauen an Bord jetzt brauchen und haben müssen. Der Bordarzt überwacht mit dem Chef auch den Ernährungs- und speziellen Einsatz-Ernährungsplan. Ansonsten braucht sie sich vor einer noblen Cuisine mit Sternen nicht verstecken. Auch auf den Stiftungsschiffen gilt das "Gesetz der beiden K´s", Kapitän und Koch, beide halten die Moral hoch und "den Laden zusammen".  

Die Angel kehrt zum Liegeplatz zurück und geht wieder in Bereitschaft.

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