Monsterwellen - Realität, kein Mythos

 

Die alten Seebären und Abenteurer haben es schon immer gewußt und behauptet: es gibt gewaltige Wellen, viel größer als man es sich vorstellt, die Schiffe zerschlagen wie einen Pappkarton. Niemand hat ihnen geglaubt. Heute glaubt es auch die Wissenschaft. Man hat es ausprobiert und hatte ein Loch im Dach in der Versuchsanlage (MaxWave-Projekt). Inzwischen hat man auch über Satelliten solche Wellen gemessen. Spektakulär waren in den letzten Jahren Schiffsunglücke, bei denen solche Wellen Fenster einschlugen, die Brücken unter Wasser setzten, die Decks abräumten, Menschen verletzten und die Schiffe fast zum Sinken brachten. Heute ist man sich sicher, dass viele bisher ungeklärte Unglücke und Verluste auch sehr großer Schiffe auf solche Wellen zurückgehen.

Die Reedereien hatten sich noch bis vor einiger Zeit in der Gewissheit gewiegt, solche Wellen gäbe es nur in eng begrenzten Seegebieten, wo z.B. Windwellen und Strömungen gegeneinander laufen. Da könne man ja dann eben darum herum fahren. Nun hat sich gezeigt, dass auch das nicht stimmt. Monsterwellen gibt es überall und zu jeder Zeit, sie sind nicht vorhersagbar, auch wenn es Seegebiete gibt, in denen sie häufiger anzutreffen sind als anderswo.

Besonderes Merkmal solcher Wellen ist, dass sie besonders groß sind, ab 20 Meter bis über 35 Meter, dass vor und zwischen ihnen besonders tiefe Wellentäler entstehen, dass sie teilweise sehr steil sind, dass sie wie Wassertürme plötzlich aufsteigen können und dass sie oft quer oder diagonal zum laufenden Seegang und der laufenden Dünung auftreten. Diese Phänomene sind noch nicht endgültig geklärt. Man kennt jedoch die Hauptursachen.

Es gibt eine weitere Typisierung solcher Wellen:

 

Wasser hat die sechshundertfache Dichte von Luft, es ist also hart wie Beton. Ein Kubikmeter Wasser wiegt eine Tonne. Ein Schiff von 30 Meter Breite hat, wenn es es 20 Meter tief in eine Welle taucht - rechnet man vereinfacht ein quadratisch-breites Deck - und die Welle 10 Meter hoch an Deck steht, ein Gewicht von 6.000 Tonnen an Deck von einer Minute zur anderen. Ein mittelgoßer Frachter wiegt selbst um 15.000 bis 25.000 Tonnen. Das ist nicht alles. Die Welle läuft mit etwa 25 Knoten Geschwindigkeit, das Schiff fährt mit 10 Knoten reduzierter Fahrt gegenan. Das Schiff und der Betonblock mit einer Masse und statischen Dynamik von 6.000 und bis 25.000 Tonnen prallen also mit einer gemeinsamen Beschleunigung von  35 Knoten = 65,1 Stundenkilometern aufeinander.

Wer einmal mit 65 Sachen mit seinem Auto gegen einen Brückenpfeiler gefahren ist weiß, was dann passiert und wie das aussieht. Ein Schiff macht das nicht nur einmal. Die Wellen schlagen im Minutentakt ein, nicht immer so wuchtig, aber oft genug, und das kann über Tage andauern. Leicht erklärlich, warum sich solider Schiffbaustahl sehr schnell zu Wellblech falten oder ganz verschwinden kann, und warum ein Schiff einfach in Stücke bricht, vor allem, wenn es älter und stark angerostet ist. Und es kann natürlich umschlagen und kentern mit einer solchen Gewichtsmasse an Deck, wenn die nicht sofort wieder abläuft.

Ein Schiff kann sich in einer Welle regelrecht festfahren und drin stecken bleiben. Es kommt erst wieder frei, wenn die Welle weiterzieht und es loslässt. Es kann dabei umgerissen werden.

Jedes Schiff hat eine Eigenfrequenz oder Eigenresonanz. Sie ist erreicht, wenn der Abstand zwischen den Wellenkämmen genau so lang ist wie das Schiff. Dann schwimmt es nur noch mit den spitzen Schiffsenden, die breite tragende Mitte liegt hohl, das Schiff kann durchbrechen oder einfach umfallen. Die dynamische und statische Stabilität ist weg, der hydrodynamische Rollwiederstand ist weg, der Schiffsschwerpunkt relativ zur hydrodynamischen "Auftriebskraft" und Hydrostatik verschiebt sich drastisch zur "Topplastigkeit" und es treten die maximalen Bruchbelastungen auf. Besonders gefährdet sind sehr schlank und auf Geschwindigkeit gebaute Schiffe mit sehr scharfen Schiffsenden und langen sowie hohen Überhängen, Aufbauten und Ladungen, also gerade schnelle Containerschiffe, aber auch Kreuzfahrt- und Passagierliner mit hohen Toppgewichten. Gefährdet sind auch Schiffe mit tiefen, aber schweren Ladungen hoher Punktbelastung im Schiff, also Massengutfrachter mit Erzladungen und anderen schweren Sachen. Ebenso gefährdet sind Schiffe mit flüssigen Ladungen, wenn diese große freischwingende Oberflächen haben, die Ladung also in den Tanks großzügig herumschwappen kann. Das ist genauso gefährlich. In Interferenzwellenzügen kann das schlagartig passieren, wen sich plötzlich die Wellenabstände ändern. Schlägt dann da noch eine große Welle drauf ist das Schiff Kleinholz. Es kann dann binnen Sekundenfrist gesunken sein. Da kommt keiner mehr lebend herunter, es sei denn, er hat einen besonderen Schutzengel. Wer das auf der Brücke nicht schon im Ansatz erkennt und mit Kursänderung und Fahrtstufenwechsel abfängt hat verloren. Dafür muss man Instinkte entwickeln, oder wie es der Vormann (Kapitän) eines Seenotkreuzers einmal ausdrückte "Ein Schwein erkennt man an seinem Gang".

 

Seegangs-Dopplerradar:

Inzwischen gibt es eine Neuheit, die helfen soll, solche Crashs zu vermeiden, das Seegangs-Dopplerradar. Wellen machen im Radar Echos, teils so groß, dass man die Schiffe nicht mehr erkennt. Aus der Wetterforschung kennt man das Wetter-Dopplerradar schon lange. Man misst damit Zuggeschwindigkeiten und Zugrichtungen. Mit dieser Technik kann man auffällige Wellenzüge schon frühzeitig erkennen und einmessen. Man hat also die Chance, davon rechtzeitig wegzufahren, wenn das noch möglich ist, oder andere Schutzvorkehrungen zu treffen, Alarm auszulösen, die Fahrt zu reduzieren, das Schiff anders vor die See zu legen, um den Einschlag abzumildern. Das ist vor allem bei Unsichtigkeit und Nacht überlebenswichtig, wenn man nur, wenn überhaupt, mit dem Scheinwerfer die anrollende See anleuchten kann um zu sehen, was da kommt.  

 

Aber etwas anderes wird "richtig teuer" werden.

Die DIN-Normen, also die Bau- und Versicherungsvorschriften sind für statische und materialtechnische Belastungen bei periodischer, also regelmäßiger Wellenschwingung und Wellenhöhen bis 16 Meter ausgelegt. Der Flächendruck  darf je 1 qm Fläche unverformt bis 16 Tonnen betragen, mit Verbeulung bis 32 Tonnen.  Die real gemessenen Schübe und Drücke in solchen Monsterwellen betragen über 100 Tonnen. Vergleichbares gilt für die Biege- und Verdrehungslasten sowie das "Durchhängen" im Wellental und "Durchbeulen", wenn das Schiff mit der Mitte auf der Welle sitzt und die Schiffsenden frei hängen, auch die "Torsionskräfte" genannt.

Erste Berechungen haben ergeben, dass man einen Frachter um mindestens 15 % schwerer bauen muss bei den erforderlichen neuen Materialstärken und Strukturelementen. Die frühere mittlere Plattenstärke des Schiffbaustahls lag zwischen 15 bis 25 mm. Moderne Containerschiffe benötigen Platten bis 80 mm Stärke. Damit hat man früher schon Kriegsschiffe gepanzert, diese Stärken sind problematisch beim Schweißen. Der Trend geht jedoch zu zäheren und dünneren Spezialstählen, heute im Marineschiff- und Yachtbau herunter bis zu 8 und 4 mm. Frachtschiffe wie Yachten sollten leichter und damit billiger in den Betriebskosten werden, Die Yachten dürfen dann bei schwerer See ohnehin nicht mehr aus dem Hafen (Stichwort "Malta-Klasse", Fahrterlaubnisbeschränkung über Windstärke 6). Aber wann weiß man das schon ganz genau, ob und ob es dahin kommt, wo man hin wollte?, Was ist, wenn man sowieso gerade unterwegs ist und den nächsten Pflicht-Nothafen anlaufen müsste, kann man dann der Wetterfront überhaupt noch ausweichen? Ist es gefährlicher, unter Land zu gehen und das Schiff da zu riskieren oder das Wetter draußen abzureiten, was normalerweise immer sicherer ist, es sei denn, es trifft einen ein schwerer Seeschlag? Da bleibt vieles offen, das nicht in die Normen und Vorschriften passt. Bei Marineschiffen hat man die Platten dünn gemacht in der Hoffnung, dass, wenn schon, ein Geschoss durch das Schiff schlägt und draußen explodiert, statt im Schiff stecken zu bleiben und drinnen zu explodieren. Das ist ein sehr großer Unterschied.

 

Kurz gesagt, die Analyse der Probleme, die Ausarbeitung neuer Normen hat gerade erst begonnen.

Die wissenschaftliche Bestätigung des Vorhandenseins der "Monsterwellen" ist das größte Problem, die größte Herausforderung der Seetransport- und Schiffbauwirtschaft seit Beginn des Eisen- und Stahlschiffbaues überhaupt. Eigentlich muss nun die gesamte Weltflotte ausgewechselt werden, und die neue wird erheblich teurer. Es gibt ein quantitatives Stahlproblem. Schon jetzt sind die Werftkapazitäten durch den Austausch der Tankerflotten gegen Doppelhüllentanker bis 2010 mit Lieferzeiten über mehrere Jahre gebunden. Für die Versicherungswirtschaft ist das mehr als spektakulär. Es wird neue Bedingungen und Prämien geben müssen. Das wiederum wird auf die Transportkosten und Verbraucherpreise durchschlagen. Da durch den laufenden Klimawandel die Schwere und Häufigkeit der Wetterphänomene zunehmen wird verschärft sich diese Situation daraus noch einmal dramatisch.

Eine Sache ist ebenso wichtig, hier nur kurz gestreift: die steigenden Ölpreise und Schiffsdieselölkosten, damit verbunden die Motoren- und Antriebstechnik. Wie eine Bombe schlug die jüngste Nachricht der Bundesregierung ein, alternative Biodieselkraftstoffe voll zu besteuern. Folge: das hochtoxische Schweröl wird noch einmal hochattraktiv als einzig mögliche Kostenalternative, um die Transportkosten zu halten und die steigenden Versicherungs- und sonstigen Kosten aufzufangen, als "Bestandserhaltung" und Vermehrung der Schweröl fahrenden "Sondermüllverbrennungsanlagen" nach der Schwerölgefahrenklasseneinstufung.  Man weiß heute, das der überwiegende Teil der Luft-Umweltbelastung an den Küsten aus den Schornsteinen der Schweröl fahrenden Schiffe stammt. Dazu kommt, das Schwerölangebot verknappt sich zunehmend, politisch gewollt wie durch die weitere "Tiefenraffinade" der Raffinerien, die auch das letzte aus den Ölen herausholen, sodass als "Schweröl" nur noch der wirklich absolut unbrauchbare höchstgiftige und umweltbelastende Ölschlamm zurückbleibt. Für die Schiffe bedeutet das wiederum, man braucht mehr von diesem Gift, weil dessen Heizwert weiter sinkt und der technische und Energie-Aufwand zur Herstellung der Verbrennbarkeit des Schweröls in den Motoren weiter steigt.

Im Jahre 2003 wurden weltweit ca. 3,3 Milliarden Tonnen Rohöl verbraucht. 700 Millionen Tonnen betrug der Anteil an Schiffsdiesel. In Mehrheit hochtoxisches Schweröl, in Minderheit wesentlich teurere hochwertige Marinedieselkraftstoffe (einschließlich marine-gasturbinenzugelassene Turbinenkraftstoffe).  Mit der Alternative Biodiesel ist eine Investitions- und Innovationswelle für den Motoren- und Kraftwerksanlagenbau verbunden. Das wird mit der Vollbesteuerung der Biokraftstoffe nachhaltig verzögert bis gestoppt.

 

Diese Situation und Erkenntnislage bedingt, ein neues Seenotrettungs-System zu entwickeln mit Schwerpunktsetzung auf die hohe See mit neuem Material, neuer Organisation und Einsatzstruktur, und dafür ausgebildetem neuen Personal.

 

 

Wer sich tiefer informieren möchte:

hier sind Themenlinks zu sitefremden Experten, wissenschaftlichen Instituten, "Zeugen" und  Themensammlungen, die wir empfehlen unter dem Vorbehalt, dass wir nicht für deren Inhalte verantwortlich sind oder Verantwortung übernehmen. Änderungen dort sind immer zu erwarten zum aktuellen Stand der Wissenschaft oder aus sonstigen Gründen. Die Autoren vertreten ihre Meinungen, diese müssen sich nicht mit unserer Meinung decken, es geht uns um Informationen zur Sache, die uns wichtig erscheinen.

unter Hinweis auf unseren Disclaimer.

Links können sich jederzeit ändern. Bei aufgefundenen Dead-Links freuen wir uns über einen kurzen Hinweis an den Webmaster.

 

Helmholtz-Gemeinschaft       Geo-Wissenschaften        ESA       Statoil       Global Disaster Watch

Naturgewalten - Thomas Sävert      Links zu Satelliten-Infos und NOAA       Seegang

 TU Harburg - Schiffstabilität im Seegang      GKSS-Forschungszentrum

TU Berlin - MaxWave     Heavy Seas Pictures      ESYS-Seenotfallarchiv